30. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Samuel Scheidt / Liebliches Krafft-Blümlein

Samuel Scheidt
Samuel Scheidt
Obwohl er neben Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein zu den großen «Sch» des 17. Jahrhunders zählt, ist Musik von Samuel Scheidt (1587–1654) eher selten zu hören. Bei Organisten steht eine neuere Ausgabe seiner Tabulatura nova (1624) vielfach auf dem Notenpult, seine Vokalmusik bleibt aber eine Rarität. Und so handelt es sich bei dem aktuellen Album auch um die erste vollständige Einspielung einer 1635 im Druck erschienenen Sammlung mit dem erquickenden Titel Liebliche Krafft-Blümlein. Der historische Hintergrund der insgesamt zwölf nur vom Continuo begleiteten Duette ist freilich düster: Der Dreißigjährige Krieg verwüstete zu jener Zeit ganz Europa und brachte das kulturelle Leben fast gänzlich zum Erliegen. Scheidt verzichtete entsprechend auf die sonst eher übliche Diskant-Begleitung durch zwei Violinen.

Umso gewichtiger ist die Aufgabe für die Solostimmen – damals wie heute. Scheidt vertont zwar vielfach bekannte Bibelworte (vor allem aus den Psalmen), gestaltet die einzelnen Stücke aber höchst unterschiedlich und dicht am Text mit deutlich hörbaren italienischen Einflüssen. Und so kommt es nicht nur auf die «richtigen Töne» an, sondern besonders auf die Artikulation jeder einzelnen Silbe und eine umfassende Vorbereitung. Alles Punkte, die diese auf den ersten Blick unspektakuläre Einspielung so spektakulär machen. Denn Marie Luise Werneburg und Daniel Johannsen ergänzen sich stimmlich hervorragend und werden von einer wunderbar disponierten und agierenden Continuo-Gruppe unterfangen – mit Bettina Messerschmidt (Violoncello), Adrea Cordula Baur (Chitarrone) und Michael Wersin an der gedämpften Truhenorgel (aufschlussreich das Foto auf S. 22 im Booklet). Empfehlung!

Samuel Scheidt. Liebliche Krafft-Blümlein (1635); Johann Hieronymus Kapsberger. Toccata ottava aus: Libro Quadro d’intavolature di Chitarone (1640); Toccata seconda arpeggiata aus: Libro primo d’intavolature di Chitarone (1604); Dieterich Buxtehude. Sonate D-Dur BuxWV 268
Marie Luise Werneburg (Sopran), Daniel Johannsen (Tenor), Collegium Instrumentale der Kathedrale St. Gallen, Michael Wersin

cpo 555 513-2 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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