Maxime Goulet / Ice Storm SymphonyDas Cover erinnert ein wenig an «Naive Malerei» und thematisiert (mit leider erkennbar wenig Tiefgang) eine der jüngsten Naturkatastrophen in Kanada: den tagelangen Eissturm im Januar 1998, der Großstädte und ganze Landstriche für Tage, Wochen oder gar Monate lahmlegte. Anlässlich des 25. Jahrestages erhielt Maxime Goulet (*1980) den Auftrag zu einer Symphonie de la tempête de verglas (oder auf Englisch: Ice Storm Symphony), die in vier Sätzen sowohl das Naturereignis als auch den wärmenden Zusammenhalt der Menschen in der kalten Not beschreibt. Für eine solche naturalistische, oder zumindest dicht an der Natur entlang geschriebene Komposition liegt der historische Maßstab freilich hoch – Beethoven Pastorale gibt noch immer die ästhetische Höhe vor: «Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey.»
Und wie setzt Maxime Goulet nun das damalige Geschehen um? Gerade der erste Satz mit seinen konkreten Sturm- und Regengeräuschen wirkt seltsam unreflektiert, ebenso wie das Finale, das wieder ins Licht strebt (in einer Konzertsituation muss das Bühnenlicht entsprechend gesteuert werden). Tatsächlich aber habe ich das Gefühl, das eine der andere (Begleit-) Motiv, die eine oder andere harmonische Wendung schon einmal gehört zu haben. Ohnehin bleibt die Musik von Maxime Goulet leicht konsumierbar, sowohl was das Konzert für Klarinette und Kammerorchester angeht als auch die auf Ernest Hemingway basierende Fishing Story. Was also bleibt außer einem fundierten und mit Engagement eingespielten Album? Mich jedenfalls überzeugt diese Musik kaum – weil sie in ihrer Unverbindlichkeit und zweifelsfreien Hermeneutik auf Dauer keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Maxime Goulet. Symphonie de la tempête de verglas / Ice Storm Symphony; Toute une journée / What a day; Histoire de pêche / Fishing Story
Kornel Wolak (Klarinette), Orchestre classique de Montreal, Jacques Lacombe Atma Classique ACD2 2866 (2022)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.