12. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Peter Heise / The Song Edition

Peter Heise / The Song Edition
Peter Heise / The Song Edition
Nimmt man mit Blick auf das «Lied im 19. Jahrhundert» diverse Konzertprogramme in die Hand, fallen einem sofort die Namen von Schubert, Schumann und Wolf ins Auge. Hingegen sind derzeit im deutschsprachigen Raum viel zu selten Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy, Carl Loewe, Robert Franz oder Johannes Brahms zu hören. Und das Kunstlied aus anderen europäischen Ländern? Während man gelegentlich auf französische Kompositionen stößt, wird es mit Blick gen Osten oder nach Skandinavien noch einmal deutlich dünner. Die Gründe dafür sind freilich leicht auszumachen: Trotz einer sehr ähnlichen kompositorischen Ästhetik sind sie in der jeweiligen Landessprache verhaftet, die nicht nur sängerisch gut artikuliert werden muss, sondern auch unmittelbar (auch in ihren literarischen Aspekten) verstanden werden will: In keinem anderen Genre (auch nicht in der Oper) sind Wortbedeutung, Betonung und die entsprechende musikalische Umsetzung von so essentieller Bedeutung.

Wie also ist in diesem Zusammenhang die mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Peter Heise Song Edition des dänischen Edel-Labels dacapo einzuordnen? Für den großen internationalen Markt ist sie jedenfalls kaum bestimmt; bis auf wenige Ausnahmen liegen den Nummern ausschließlich dänische Verse zugrunde, ohne deren nähere Kenntnis man sich allein an den Melodien und den wunderbar ausgeführten Begleitungen erfreuen kann. Peter Heise (1830–1879) jedenfalls betrachtete seine knapp 300 Liedkompositionen (von denen 272 eingespielt wurden) eher als etwas Privates: Zu Lebzeiten kaum gedruckt, verbreiteten sie sich eher handschriftlich. Ökonomisch gut situiert und neben den eignene Kopenhagener Salon-Aktivitäten eher zurückgezogen lebend (Heise hat im doppelten Sinne glücklich geheiratet), war er auf Erfolge nicht angewiesen. Nördlich der Flensburger Förde haben seine Werke eine nicht hoch genug einzuschätzende Bedeutung – gerade wegen der ungezwungenen Balance zwischen Kunst- und Volkslied, zwischen Lied und Ballade. Im heimischen Schrank stehen noch alte LPs der Dansk Musik Antologi – hier nun gibt es thematisch sortiert auf 11 CDs einen nahezu vollständigen Überblick in oft hinreißenden Interpretationen, von der Klarheit des Strophenlieds à la Reichardt bis zur großen Ballade. Politisch wurde Heise dabei kaum – und vielleicht zeichnet genau das sein Œuvre aus. – Beim Blick ins Booklet stellt sich allerdings Irritation ein. Denn dort heißt es: «This release takes a step forward by presenting Heise’s songs in new translations in German, English and French.» Davon ist (wohl schon wegen des Umfangs) nichts zu sehen und zu lesen. Weder ein QR-Code noch die Homepage des Labels weisen auf mögliche Internetquellen hin. Hier wurde eine (internationale) Chance vertan.

Peter Heise. The Song Edition
(1) «The North» – 25 Lieder
(2) «Erotic Poems» – 26 Lieder
(3) «Images from the Golden Age» – 25 Lieder
(4) «Echoes» – 23 Lieder
(5) «Kennst du das Land» – 28 Lieder
(6) «There be none og Beauty’s Daughters» – 24 Lieder
(7) «Dyveke» – 25 Lieder
(8) «Narrative Poems and Vaudeville» – 22 Lieder
(9) «Visions» – 29 Lieder
(10) «The Initiation» – 19 Lieder
(11) «Gudrun» – 26 Lieder
Adam Riis (Tenor), Aleksander Nohr (Bariton), Astrid Nordstad (Mezzosopran), Bo Kristian Jensen (Tenor), Bo Skovhus (Bariton), Clara Cecilie Thomsen (Sopran), David Danholt (Tenor), Elsa Dreisig (Sopran), Francine Vis (Mezzosopran), Jakob Bloch Jespersen (Bass-Bariton), Jens Søndergaard (Bariton), Johanne Thisted Højlund (Mezzosopran), Lars Møller (Bariton), Mari Eriksmoen (Sopran), Signe Asmussen (Sopran), Simon Duus (Bass-Bariton), Sofie Elkjær Jensen (Sopran), Stig Fogh Andersen (Tenor), Christian Westergaard (Klavier)

dacapo 8.201101 (2016–2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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