24. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Fauré / Aline Piboule

Fauré / Aline Piboule
Fauré / Aline Piboule
Ein dreifaches Portrait: zunächst mit Werken von Gabriel Fauré, gespielt von einer eigenständig gestaltenden Pianistin, gespielt auf einem interessanten Flügel aus dem Jahre 1929. Tatsächlich rückt die Idee einer «historischen» Aufführungspraxis auf entsprechenden Instrumenten immer näher in die Gegenwart. Hier ist es ein Instrument von Gaveau mit der Seriennummer 87517, die jedoch darüber hinwegtäuscht, dass von diesem Konzertflügel der letzten Generation zwischen 1909 und 1969 nur 150 Exemplare gebaut wurden. Gaveau? Den Namen kennt man von der Pariser Salle Gaveau, einem noch immer sehr lebendigen Konzertsaal, der Klavierbau der Firma aber kam schon im 20. Jahrhundert zum Erliegen; heute geht es nur noch um Marken- und Namensrechte.

Arthur Rubinstein, der, wie es heißt, in jungen Jahren von Gaveau unter Vertrag genommen worden war (die Wahrheit ist: auch der Pianist unterschrieb die Vereinbarung), beklagte sich über eine angeblich «steife und unsensible» Klaviatur und eine «Kälte des Tons». Nun dürfte Rubinstein kaum das hier verwendete Modell bespielt haben, noch hatte ich sich selbst jemals einen Gaveau unter den Fingern. Dennoch lässt sich seine Charakterisierung bis zu einem gewissen Grad an dieser Einspielung nachvollziehen – es ist ja nicht nur eine Frage des Instruments, sondern auch die des Interpreten. Zwar klingt der «87517er» tatsächlich nicht so warm wie ein Bösendorfer, doch er zeichnet in jeder Lage sehr klar. So eröffnet er bei Aline Piboule einen neuen Blick auf ausgewählte Barcarollen, Nocturnes und (komponierte) Improvisationen. Man kann auf diese Weise die Klaviermusik von Fauré wirklich anders und in einem neuen Lichte hören – ob sie dabei auch emotional anspricht, sei dahingestellt. Aline Piboule jedenfalls hat sich sowohl mit den Werken wie auch mit dem Flügel technisch bestens auseinandersetzt und zeigt Wege auf.

Gabriel Fauré. Barcarolles Nr. 3 op. 42, Nr. 4 op. 44, Nr. 5 op. 66, Nr. 9 op. 101, Nr. 10 op. 104/2, Nr. 12 op. 106, Nr. 13 op. 116; Nocturnes Nr. 5 op. 37, Nr. 11 op. 104/1, Nr. 12 op. 107, Nr. 13 op. 119; Improvisation op. 84/5
Aline Piboule (Klavier)

harmonia mundi HMM 902510 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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