8. September 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mozart / Tarmo Peltokoski

Mozart / Tarmo Peltokoski
Mozart / Tarmo Peltokoski
Mozart macht es einem wieder einmal nicht leicht. Hier sind es drei Sinfonien, mit denen Tarmo Peltokoski, aktueller Shooting Star in den europäischen Konzertsälen, nun von der Deutschen Grammophon ins Rennen geschickt wird. Bereits Ende 2022 konnte ich ihn live im Berliner Konzerthaus erleben – voller Energie, beherrscht und doch noch spürbar im «nordischen» Abstand zum Klangkörper. Auf diesem Album nun drei Sinfonien, wobei die große in g-Moll KV 550 nicht als Finale gesetzt wurde, sondern in der Mitte zwischen der Haffner-Sinfonie KV 385 und der «Linzer» KV 425 steht. Alles Kompositionen, die vom Dirigenten viel fordern: Präzision, angemessene Tempi, eine kluge dramatische Disposition auf langer Stecke und klanglichen Ausgleich. Gerade die in nur wenigen Tagen eher zufällig entstandene «Linzer» hat es in sich.

Und da lohnt es sich, das Album von hinten her zu hören – beginnend mit dem Presto übeschriebenen Finale dieser viel zu selten gespielten Sinfonie C-Dur. Was sofort auffällt (auch im Vergleich): Peltokoski macht gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Ernst beim Tempo und testet erfolgreich die Grenze des Gangbaren aus, ohne dass eine angemessene Artikulation auf der Strecke bliebe. Ins Ohr fällt allerdings die seltsame Akustik, die zwischen kammermusikalischer Durchsichtigkeit (Holzbläser) und einer gewissen Topfigkeit in den Streichern pendelt, zu Beginn der Haffner-Sinfonie in den Bässen (hier in Kombination mit den Pauken) sogar indifferent brummt. Das kammermusikalische Element ist bei der Sinfonie g-Moll entsprechend der Faktur noch präsenter, gelegentlich gar etwas rau, das eigentliche Forte der Streicher scheint von der Technik zurückgenommen. – Ob die Aula der Gesamtschule Bremen-Ost (im Booklet mit Bild von der Aufnahme-Sitzung) die bessere Alternative zu einem Studio darstellt? Fraglich. Am Ende der Exposition (bei 2’26“) schwingt sogar irgendein metallischer Gegenstand mit und nach – ein Start mit vielleicht etwas hemdsärmeligen Rahmenbedingungen. Es wäre schade, wenn ein junger, engagierter Dirigent hier durch zu ambitioniertes Headhunting und einen situativen Vorteil verbrannt würde…

PS. Nicht auf dem Album, aber im Streaming zeigt sich Peltokoski als technisch versierter Improvisator auf dem Klavier, der mit einzelnen Motiven und Themen quer durch den musikalischen Kräutergarten streift (Jazz, Tango, Moderne etc.) – und damit die originalen Kompositionen ein Stück weit entwertet. Bei einer «after concert session» wäre das hochwillkommen und unterhaltsam weitergedacht, hier aber als Interludien (auch mit Blockflöte!) wirkt das einfach nur schlecht beraten.

Wolfgang Amadeus Mozart. Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385 «Haffner»; Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550; Sinfonie C-Dur KV 425 «Linzer»
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Tarmo Peltokoski

Deutsche Grammophon DG 486 5744 (2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #124 – Sinfonisches