21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ernst Krenek / Hans Gál / Krzysztof Penderecki

Ernst Krenek / Hans Gál / Krzysztof Penderecki
Ernst Krenek / Hans Gál / Krzysztof Penderecki
Eingedenk der Bedeutung des ersten Donaueschinger Musikfestes von 1921 und seiner Aufführungen von Kammermusik (einschließlich der Uraufführung von Hindemiths Streichquartett op. 16 und dem nachfolgenden Durchbruch), muss doch erstaunen, dass eine andere Komposition dieses Jahrgangs bis jetzt «unerhört» geblieben ist und nun nach über 100 Jahren endlich in Ersteinspielung vorgelegt wird: die Serenade für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello op. 4 (1919) von Ernst Krenek (1900–1991). Wer die spätere, nicht lineare verlaufende Entwicklung Kreneks berücksichtigt, wird hier wenig überrascht sein, eine wahrlich aparte Mischung aus Wiener Leichtigkeit, strengem Kontrapunkt und avancierter Harmonik vorzufinden: Eine Serenade im allerbesten Sinne des Wortes, eine Nachtmusik in sechs Sätzen, bei der man allerdings hellwach bleibt – ein Werk größten Vermögens.

Später entstanden, stilistisch abgerundet und doch voller Einfälle, schlägt die Serenade für Klarinette, Violine und Violoncello (1937) von Hans Gál (1890–1987) einen in der führenden Partie der Klarinette spürbar Brahms verbundenen und den Duft des ausgehenden 19. Jahrhunderts atmenden Tonfall an. Und Penderecki? Sein Quartett (wieder in der Krenek-Besetzung mit Streichtrios) schließt hier an: neoromantisch geprägt und doch in den Gesten unverkennbar, wirkt die Komposition aus dem Jahre 1993 erstaunlich zeitlos und reif – und fügt sich daher so unaufdringlich mit den beiden Serenaden zu einem herrlichen Programm zusammen. Ein Programm übrigens, das man sich sehr gut an einem lauen Sommerabend auch unter freiem Himmel vorstellen kann. Pendereckis Finale, ein Abschied, würde einen herrlich in die Nacht entlassen. Die vier Musiker:innen spielen die Werke mit einem hörbaren Selbstverständnis, als wären diese keine Neuentdeckungen, sondern schon sehr lange im Repertoire.

Ernst Krenek. Serenade für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello op. 4 (1919); Hans Gál. Serenade für Klarinette, Violine und Violoncello op. 93 (1937); Krzysztof Penderecki. Quartett für Klarinette, Violine, Viola und Violoncello (1993)
Kilian Herold (Klarinette), Florian Donderer (Violine), Barbara Buntrock (Viola), Tanja Tetzlaff (Violoncello)

Cavi-music 8553537 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #118 – Ersteinspielungen