23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ensemble Ambidexter – Ensemble Ambidexter

Ensemble Ambidexter – Ensemble Ambidexter
Ensemble Ambidexter – Ensemble Ambidexter

Es ist geradezu sehr schwer, wenn eine Art Jazzquartett auf eine Art zeitgenössisches Streichquartett (ab und zu mit hinzutretender Viola) trifft. Im Ensemble Ambidexter auf dem gleichnamigen Album passiert dies und dabei kommt es zu Reibungen zwischen auskomponierter Kammermusik mit ihren eigenen kompositionstechnischen Ansprüchen und einem eher locker dazu sich verhaltendem Ensemble mit Saxophon, Posaune, Kontrabass und Schlagzeug.

Reibungen sind in der Musik ein besonderes Lebenselexier. Wo nämlich alles nur glatt geht und gezogen wird, bleibt wenig Anhaftungsmöglichkeit für die Zuhörer:innen. Aber Reibungen funktionieren nicht wie selbstverständlich, also so weil sie da sind. Wenn Schmirgel auf Schmirgel trifft, kann es schlicht auch einfach nur schmerzen. Auf eine (un-)bestimmt balanciertes Chaos kommt es an. Das klappt mal besser und mal weniger gut. Davon zeugt auch dieses erste Album des Ensemble Ambidexter.

Während auf dem ersten Track T. Wave (Komposition: Izabela Kaldunska) dies für mein Gefühl zu sehr nach dem Muster Plattenbau abläuft und eher nicht funktioniert, ist es beim zweiten Stück des Albums Anabella (Komposition: Oene Van Geel) fluide, konzentrierter und freier – insgesamt souverän gehört und gefügt. Bei Track 3 Arial Matrix (Komposition: Mark Weschenfelder) zerfällt das Geschehen deutlich und wirkt mit zu vielen Versatzstücken gespickt, die eben nur ab und an zu einem auch emotional stimmigen Bild sich kondensieren. In Nummer 4 Philomena (Komposition: Teresa Allgaier) wiederum findet sich insbesondere in der Einleitung die Ausarbeitung zu einem Klangbild eigener Kontur, wo Technik, Spiel und Komposition in andauernde Korrespondenz treten. Da tut sich was, da bewegt sich was, da öffnet sich die Musik.

In The favourite Number (Komposition: Christopher Kunz) ist das einzige Stück, das ein Mitmusiker des Ensembles beigesteuert hat. Auch hier fehlt mir im kompositorischen Feld entscheidend das Moment von Spannungsbögen, harmonisch und dynamisch, ja, auch rhythmisch. Die Komposition ist zu sehr auf einem Erregungsniveau, besonders wenn die Streicher:innen im Zusammenhang gedacht sind als ein Instrument. Ich fordere mehr Peace! Es darf gerne mal mehr ausgespielt werden. Das ist mir zu blockartig geklebt. Im Schlussstück Edelweiss (Komposition: Laura Wasnieswsky) wird’s auch wieder flockig, luftig. Es zeigt, was das Oktett (Nonett) sich herausspielen könnte, wenn es diesen Weg und einen, der bei Oene van Geels Poetik ansetzt, weiterginge.

Insgesamt vertrügen einige Kompositionen durchaus sowohl mehr kompositorische Substanz wie umgekehrt in den freier von den Musiker:innen gespielten Teilen deren qualitative Durchbrechung. Manchmal sitzt man fast beklemmt beim Hören und hofft: «Lass‘ sie doch mal los» und an anderen Stellen «Fang‘ sie doch endlich mal ein und gib‘ gerade im Bereich der Harmonik Halt».


Ensemble Ambidexter – Ensemble Ambidexter [2024]

  • Violin: Markus Stolz
  • Violin 2: Floortje Beljon
  • Viola: Stefanie Bühler
  • Cello: Paula Schieferecke
  • Double Bass: Andris Meinig
  • Drums: Philipp Scholz
  • Saxophone: Christopher Kunz
  • Trombone: Georg Demel
  • Viola on #1, #4, #5, #6: Marie Schutrak

Teleskop (VÖ 5.4.2024)

 

Autor

hoerbar_nmz

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