Die aktuelle Platte des Duos Marlies Debacker und Salim(a) Javaid gehört in jene musikalische Zwischenwelt, bei der es einem nicht leichtfällt, ihr eine Schublade zuzuweisen. Man wird einwenden: Das verlangt ja auch niemand. Klar. Aber in einer Welt, die darauf angewiesen ist, die Realität laufend zu rendern, fallen derlei Dinge dann schnell durchs Raster der Aufmerksamkeit. Wer hebt derlei denn dann auf.
Natürlich ist das Rastern von Musikformen fast generell eine Unmöglichkeit. Kein Musikwerk geht darin auf und darin ein, «etwas» zu sein, was nur etwas ist. Sondern es ist im besten Sinne immer das, was nicht etwas ist, sondern «etwas anderes», was nicht ist. So ist es auch bei diesen Aufnahmen des Zusammenwirkens von Marlies Debacker und Salim(a) Javaid der Fall.
Rein technisch gesehen handelt es sich um ein Duo, welches auf die Instrumente Klavier (Clavinet) und Saxophon(e) zurückgreift. Hört man sich die fünf Stücke auf der CD (ganz) unvoreingenommen an und in Unkenntnis an, fällt dies nicht als erstes hörend ins Gewicht. Die Instrumente werden nicht im klassischen Sinne verwendet, so wie man es vielleicht bei so einer Besetzung erwartet. Sondern sie sind Erzeuger von allerlei Klang. Es schrabt da und es faucht hier, mal knispert es da und raunt es dort. Nur hin und wieder wird die «klassische» Tongebung mit exakt definierbaren Tonhöhen oder deren multiphonen Klangspektren hörbar. Denn das ist nur ein Nebeneffekt einer Musik, die sich den Prozessen und Spontan-Momenten akustischer Improvisationskunst verschrieben hat. Es fließt alles so dahin, die Grade der Verdichtung und Auflösung von Tonwelten sind wie sich durchdringende Hüllkurven sehr transparent und auch vermutlich instantan aus der Situation entwickelt. Das wird vielleicht manchem etwas mühsam zu hören erscheinen. Das ist es aber nicht, wenn man nicht auf der Suche nach einer vorgegebenen übergeordneten Struktur gesucht hat. Weil es nicht «das etwas» ist, sondern das, was nicht ist.
Im Eigenkommentar liest man: «Convolution ist der Versuch, Saxophon und Klavier zum Meta-Instrument zu verschmelzen.» Also ist es auch der Versuch, das Prinzip «Duo» aufzuheben, nämlich als ein Geist und ein Instrument zu handeln, eine Art musikalische Legierung zu schaffen. So viel «Meta» darf gerne sein – es gibt sowieso zu wenig «Meta». Und so viel Hingabe ist sinnvoll, jederzeit erlaubt und unbedingt gewünscht, denn die hier tönenden Ereignisse sind geradezu unerschöpflich und unendlich fein, berührend leicht und auch melancholisch schwer an anderer Stelle.
Marlies Debacker / Salim(a) Javaid – Convolution [2024]
- Marlies Debacker – Klavier, Clavinet
- Salim(a) Javaid – Saxophone
impakt Records (VÖ: 3.1.2024)