3. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Balthasar Erben

Balthasar Erben
Balthasar Erben
In der Musikgeschichte begegnen immer wieder Komponisten und Interpreten mit einer überraschend modernen Biographie – und dies sogar in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Kaum vorstellbar etwa, dass dem in Danzig geborenen Balthasar Erben (1626–1686) mit 27 Jahren nicht etwa die herausragende Stelle des Kapellmeisters an der Hauptkirche St. Marien zugesprochen, sondern er vom Rat der Stadt mit einem großzügiges Stipendium versehen wurde, um sich (wie es hieß) in der Welt umzusehen und sich als Komponist zu vervollkommnen. Und so bereiste Erben über fünf Jahre Holland und England, Frankreich und Italien. Nach eigener Aussage erreichte ihn 1657 in Rom die Nachricht, dass die Stelle des Kapellmeisters erneut frei geworden war – im folgenden Jahr wurde Erben bestallt. Erfahren und musikalisch umfassend gebildet, soll er das Amt selbstbewusst ausgefüllt haben. Seine Kompositionen blieben (wie damals üblich) weithin ungedruckt, sind jedoch Höhepunkte der Musica Baltica.

Die Originalität und Qualität der heute kaum mehr bekannten Werke lässt sich nun mit der herausragenden Einspielung durch das Ensemble Abendmusiken Basel unter Jörg-Andreas Böttiche hörend erfahren; sie mischt in gelungener Weise Vokal- und Instrumentalmusik, weltliche Kompositionen und solche für Liturgie und Andacht. Die erhaltenen Sätze für Cembalo wirken durch und durch süddeutsch geprägt (Erben begegnete auf seiner langen Reise auch Froberger), die lateinische und deutsche Kirchenmusik passt sich hingegen in die musikalische Vielfalt des Ostseeraums ein. Neu sind seine Choralbearbeitungen «per omnes versus» (also durch alle Strophen), wie bei «Erbarm dich mein, o Herre Gott» – ein kompositorisches Verfahren, von dem Erben selbst zu Recht behauptet, es sei «vor meiner Zeit auff dergleichen schlag von keinem elaboriret worden». Die Einspielung setzt sich umfassend für sein Œuvre ein. Dabei werden die einzelnen Werke nicht dramatisch überhöht, sondern mit Rücksicht auf Ausdruck und Andacht ruhig und doch mit innerem Feuer interpretiert. Ein Album, das eine Fortsetzung mit weiterem Repertoire der Zeit verlangt.

Balthasar Erben. Sacred Concertos from Danzig
Dixit Dominus; Ach, dass ich doch in meinen Augen hätte; Passacaglia, Courante, Sarabande; Erbarm dich mein, o Herre Gott; Laudate Dominum; Sonata sopra ut, re, mi, fa, sol, la; Ich freue mich im Herrn; Peccavi super numerum; Magnificat à 12; Matthias Weckmann. Toccata in a
Abendmusiken Basel, Jörg-Andreas Bötticher

Coviello Classics COV 92103 (2019)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #109 – Musica Baltica