Die Kunst des Duo-Spiels gilt in der Welt der Improvisationen als besondere Herausforderung. Man ist zu zweit aufeinander angewiesen und muss miteinander (auskommen). Beim Solo kann man alle Tragik des Erfindens, den erfolg und das Scheitern auf sich selbst nehmen. Ab Triogröße kann sich jeder auch schon mal aus dem Bezugsfeld nehmen und an der Seite stehen, sechs Ohren hören schließlich mehr. Im Duo ist das alles nicht möglich. Es ist immer ein besonders Wagnis.
Enrico Rava und Fred Hersch kennen nichts, was sie nicht kennen. Sie spielen seit Ewigkeiten mit all ihren Erfahrungen im Genre des Jazz. Sie wissen natürlich, wie es geht. Und so wird diese Aufnahme der beiden Musiker schon mal als ECM-seitig als «Gipfeltreffen» beschrieben.
So ganz muss man dem nicht folgen. Denn, je nach Gipfel, kann die Luft dann schon mal recht dünn werden. Rava und Hersch können alles und doch scheint so manches improvisiertes Duospiel etwas unstet und unverbunden. So schön es ist, wie die beiden Musiker aus dem «Child’s Song» beispielsweise ausbrechen und in ganz anderen Gefilden musikalischer Poesie landen, so leer läuft dies auch mal an der einen oder anderen Stelle. Beim genannten Track fängt das Aufgesplissene nur ein Solo von Fred Hersch ein, der ohnehin die Aufnahmen dominiert. Besser geht es in «The Trial» zu, wo das zu musikalisierende Material wunderbar standardfrei fremd und doch bachisch anklingt. Hier konzentriert sich die Musik auf den Punkt, verzahnt sich in feinen Augenblicken.
Etwas, was sich in der Adaption von Monks «Misterioso» fortsetzt, wobei auch hier eher Fred Hersch intuitiv die richtigen Ausgestaltungswege findet. Erst später hat endlich auch Rava bei diesem Track seine Freifläche, auf der er sich endlich doch lösen kann.
Wie auch immer. Schwer machen es einem Rava und Hersch im Duo nicht. Der Raum fürs Mitgenommensein steht offen. Manchmal ist man dann tatsächlich angenehm überrascht, zum Beispiel dann, wenn Monks «Round Midnight» von Hersch so zauberhaft aus dem Klangfeld des Pianospiel hervorgeholt wird und als Randklang aufblitzt mit aller darin kondensierten Melancholie. (Allerdings: Ist halt aber ein Solo des Pianisten.)
Enrico Rava & Fred Hersch: The Song Is You [2022]
- Enrico Rava – Flügelhorn
- Fred Hersch – Piano
ECM 2746 (VÖ 09.09.2022)