21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Feininger Trio

Feininger Trio
Feininger Trio
Ein wunderbarer Brahms-Zyklus zeichnet sich ab! Wunderbar in der Interpretation, wunderbar auch in der Zusammenstellung. Denn hier werden die drei Klaviertrios des norddeutschen Wahl-Wieners nicht nur in einer herausragenden Einspielung vorgelegt, sondern darüber hinaus kombiniert mit jeweils einem anderen, noch immer vielfach unterschätzten Werk – von der Jahrhundertwende bis in die Moderne, und zwar chronologisch gegenläufig: In der ersten Folge stand Brahms’ op. 101 (1886) dem Trio d-Moll op. 3 (1896) von Alexander Zemlinsky gegenüber, hier nun sind es das op. 87 (1882) und das frühreife Opus 1 (1910) von Erich Wolfgang Korngold. Ende 2023 wird dann noch die Kopplung von op. 8 (1854/89) mit einem Klaviertrio von Ernst Krenek, dem auf Brahms zurückblickenden und der Romantik eng verbundenen op. 63 (1929) folgen – was für eine fulminante Dramaturgie!

Vor vielen Jahren war die «Entschlackung» als Wort en vogue. Hier nun wird sie interpretatorisch Realität in einer höchst delikat geformten, leichten, wenn nicht gar sublimierten Klanglichkeit, die man sich bei Brahms kaum vorzustellen vermochte. Dennoch bleibt es nicht bei bloßen Andeutungen, es geht vielmehr «zur Sache» – nur eben mit einem Höchstmaß an Spielkultur, perfekter agogischer und dynamischer Kontrolle. Das piano ist in den Streichern durchweg beseelt, das forte im Klavier nie massiv. Damit löst das Feininger Trio das seit Anbeginn der Gattung bestehende Grundproblem der Besetzung, nämlich das Gegen- und Miteinander der Saiteninstrumente mit dem Klavier in einer Maßstäbe setzenden, ausgleichenden Weise – und verleiht den Kompositionen auch bei komplexerer Faktur eine berückende lyrische Intensität. Diese wirklich kammermusikalisch durchdachte Deutung erlöst dann auch das Korngold-Trio von seiner in der Vergangenheit allzu oft mit Zuckerstück und Sahnehäubchen dekorierten Süßlichkeit und lässt das Werk ohne die überflüssigen Kohlenhydrate in einem vollkommen neuen, nicht minder köstlichen Licht erstrahlen.

Johannes Brahms. Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87; Erich Wolfgang Korngold. Klaviertrio D-Dur op. 1
Feininger Trio

Avi-music 8553513 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #085 – Klaviertrios