>Bevor es Frühling wird, rasch noch eine «Winterreise», mag mancher denken. Musikalisch zielt das natürlich auf Schuberts Vertonung der gleichnamigen Müller’schen Verse – ein Meisterwerk der hohen Liedkunst, des Kunstliedes wie auch des Liederzyklus’. Und so darf es nicht verwundern, dass der Einspielungen inzwischen Legionen sind. Vielfach spiegeln die Interpretationen die sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wandelnden Sichtweisen und Vorlieben der Sänger – und der Sängerinnen. Es gibt dabei allerdings einige Aspekte, die auch heute noch einen genaueren Blick wert sind sind: Wie steht es mit den oft anfallenden Transpositionen? Sind sie bloß bequem oder von Lied zu Lied analog der originalen Tonartenfolge? Wie interagieren Stimme und Klavier? Was wird aus den Worten herausgeholt?
Die Einspielung mit James Rutherford ist sich der ersten Frage vollauf bewusst und räumt jede Überlegung dazu im Booklet gleich unterhalb der Trackliste ab: «The cycle is performed with all songs transposed a minor third down, thereby retaining the original relationships between the individual songs.» Wunderbar, möchte man sagen, wenn da nicht doch der Gesamtcharakter der Lieder seltsam erdig klingen würde (sie sind im Original für Tenor geschrieben). Hinzu kommt die große Stimme von Rutherford, der in der Deutschen Oper am Rhein einen Wotan gesungen hat. Da erwartet man von der Begleitung eine entsprechende Unterstützung, indes nimmt Eugene Asti hier eine eher dienende Rolle ein. Und die Interpretation der Lieder selbst? Bei Rutherford wirkt der von Liebe enttäuschte Wanderer mir gelegentlich zu trotzig (Erstarrung) oder nicht abgründig genug in die Seele schauend (Die Post, Der Leiermann). Nach dem schon vor ein paar Jahren veröffentlichten Schwanengesang bleibt nun noch die Schöne Müllerin. Ob sie poetischer gelingt?
Franz Schubert. Winterreise D 911
James Rutherford (Bariton), Eugene Asti (Klavier)
BIS BIS-2410 (2018)