14. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Franck 200 / Eliot Quartett

Franck 200 / Eliot Quartett
Franck 200 / Eliot Quartett
Merkwürdigerweise ist das Streichquartett D-Dur von César Franck, das dieser 1889/90 nur wenige Monaten vor seinem Tod vollendete, kaum bekannt. Denn es wird hierzulande viel zu wenig selbst von den etablierten, namhaften Ensembles gespielt. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen einmal in der das ganze Œuvre umfassenden Außenseiterrolle des Komponisten im Konzertsaal (in der Gattung Streichquartett zumal in der Konkurrenz mit Werken von Debussy und Ravel), ferner in der anspruchsvollen zyklischen Anlage der Form und der sich darin spiegelnden Beethoven-Rezeption, die den Anspruch für Interpretation und Rezeption vorgibt. Kaum besser sieht es mit dem Klavierquintett f-Moll aus dem Jahr 1879 aus, dem man sich (so Dmitry Ablogin im Booklet) in den Kammermusikkursen russischer Konservatorien hingegen kaum entziehen kann. Ich hörte es erstmals live 2018 in der Berliner Philharmonie in einem wahrlich denkwürdigen Konzert mit Menahem Pressler und dem Schumann-Quartett.

Der 200. Geburtstag des Komponisten war offenbar eine gute Vorgabe für das 2014 gegründete, in Frankfurt am Main beheimatete und international besetzte Eliot Quartett, mit dem der Pianist Dmitry Ablogin wunderbar harmoniert, sich kammermusikalisch einfügt und ein wirkliches Quintett bildet. Entsprechend klingt die tontechnisch vorzüglich produzierte Einspielung frisch und frei von jenem oft anzutreffenden falschen Pathos, das einem eine Komposition auch verleiden kann. Mit sicherem Gespür und weitem Blick werden Satz und Klang nicht sinfonisch aufgebläht, sondern bemerkenswert schlank gehalten – die Musik hat schließlich selbst genügend Fleisch an den Knochen. Das und die reichen Farbnuancen kommen der Lust am Hören merklich zugute, zumal im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert jedes Klavierquintett singulär steht und einen eigenen Anspruch erhebt. Dem steht die Interpretation des Streichquartett fast in nichts nach – nur erscheint mir hier ein Quäntchen zu viel Kontrolle mit im Spiel zu sein, selbst wenn das Scherzo im Vivace dahinhuscht. – Trotz dieser kleinen Einschränkung: eine der herausragendsten Produktionen zum Franck-Jahr.

César Franck. Streichquartett D-Dur (1889/90); Klavierquintett f-Moll (1879)
Eliot Quartett, Dmitry Ablogin (Klavier)

Genuin GEN 22784 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #071 – César Franck 200