21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Michael G. Fischer

Michael G. Fischer
Michael G. Fischer
Natürlich ist das klassische Klavierquartett nicht ohne Mozart zu denken – sowohl in g-Moll (KV 478) wie auch in Es-Dur (KV 493). Diese Werke aus den Jahren 1785/86 waren zwar zunächst nicht sonderlich erfolgreich, doch haben sie kräftige Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen. Von diesen Spuren profitiert auch das Opus 6 von Michael Gotthard Fischer (1773–1829). Er war ein Komponist, der kein großes schöpferisches Erbe hinterlassen hat, aber (ausgebildet von Johann Christian Kittel) in Erfurt das Musikleben seiner Zeit maßgeblich mitbestimmte. Dass sich Fischer ab 1810 kompositorisch offenbar auf die Orgel konzentrierte, muss aus heutiger Sicht bedauert werden: Auch wenn er keine exzeptionelle eigene, eigenständige Sprache entwickelt hat, so ist er eine jener Stimmen in Beethovens früh aufziehendem übermächtigen Schatten, die von herausragender Solidität getragen wurden. Das ist keineswegs negativ zu werten – im Gegenteil. Fischer zeigt, was es schöpferisch für weitere Optionen gab. Oder anders gesagt: mit seinem Klavierquartett vertreibt er einem höchst angenehm die Zeit…

Dass Fischer ein sicheres Gespür für die jeweilige Besetzung und den damit verbundenen Tonsatz hatte, zeigt auch sein Arrangement von Beethovens «Pastorale» für Streichsextett. Vieles erscheint hier intimer und durchsichtiger als in der sinfonischen Partitur, anderes wird mit Witz und Verstand umgesetzt (etwa die Szene mit Donner und Blitz). Und nein: warum sollte man hier etwa die Bläser vermissen? Viele Musikliebhaber im Jahre 1810 hatten davon gar keine Vorstellung, weil sie das Werk überhaupt nur in Arrangements kennenlernen konnten. Da bin ich nun aber schon beim Booklet und den heute so übermächtigen Meta-Daten angelangt. Warum wird an keiner(!) Stelle einmal die Tonart (F-Dur!) des Klavierquartetts genannt? Warum finden sich im Booklet und auf dem Backcover die offensichtlich falschen Angaben »Quartet for piano, violin and violoncello»? Warum wird die Tempobezeichnung des ersten Satzes nur mit «Largo» angegeben, wo es sich doch nur um die langsame Einleitung handelt und rasch das Allegro im 4/4-Takt folgt? Ungewöhlich bei MDG, aber heute schreiben sich solch falsch gesetzte Daten in alle Ewigkeit fort. – Die aus dem erweiterten Parnassus Trio hervorgegangene «Akademie» musiziert mit spürbarer Liebe zu den Werken. Eine schöne Produktion nicht nur für Liebhaber.

Michael G. Fischer. Klavierquartett op. 6; Ludwig van Beethoven. Sinfonie F-Dur op. 68 «Pastorale», arr. für Streichsextett von Michael G. Fischer
Parnassus Akademie

MDG 603 2221-2 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #059 – Klavierkammermusik