Der Ring wurde schon mehrfach sinfonisch mit großem Erfolg gedeutet. Nun ist Claude Debussys Oper Pelléas et Mélisande an der Reihe. Nicht dass es bisher an anderen großformatigen Orchesterpartituren des französischen Impressionisten gefehlt hätte. Doch warum nicht den Blick auf die vollkommen durchgearbeitete Komposition mit all ihren Farben, Linien und Harmonien lenken – ganz «ohne Worte»? Tatsächlich ist es Jonathan Nott gelungen, aus den fünf Akten eine in sich stimmige, flüssig fortschreitende sinfonische Erzählung mit einer Spielzeit von ca. 47 Minuten zu formen, bei der auch viele Details sichtbar und hörbar werden: von einzelnen verblüffenden Wagner-Allusionen bis hin zur ausgefeilten Instrumentation. Denn Nott hat lediglich beim Verlauf den Rotstift für «wohltätige Sprünge» angesetzt, hat die Übergänge glatt gezogen und ist im Übrigen der originalen Partitur gefolgt.
Kombiniert wird dieses mit Sicherheit als Gewinn in das Repertoire eingehende Arrangement mit Arnold Schönbergs ebenfalls auf Maurice Maeterlincks symbolistisches Schauspiel zurückgehender Sinfonischen Dichtung – einem weiträumigen Werk, das noch immer im Schatten der griffiger zu rezipierenden Verklärten Nacht steht, den Altmeister der Moderne aber ganz nah bei Strauss und Debussy zeigt. Wie zu erwarten betont das Doppelalbum die Nähe der beiden Werke, statt vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Traditionen einen jeweils anderen Tonfall anzuschlagen. So begeistert die Debussy-Einspielung des Orchestre de la Suisse Romande mit ihrem seidigen, an Nuancen reichen Klang, ihrem schwebenden Ton und dunklen Zauber. Aber auch Schönbergs Komposition wird so angegangen und entfaltet damit eine betörend frankophone Farbe. Und doch: Es gilt in dieser Musik den entscheidenden anderen Traditionsstrang zu berücksichtigen, der überhaupt erst die Grammatik dieser Sprache möglich machte.
Claude Debussy. Pelléas et Mélisande (1902) – Suite symphonique (Arr. Jonathan Nott); Arnold Schönberg. Pelleas und Melisande op. 5 (1902/03)
Orchestre de la Suisse Romande, Jonathan Nott
Pentatone PTC 5186 782