Dieses Album wirft einen so hochinteressanten wie farbigen Blick auf die Themse-Metropole zu Beginn des 18. Jahrhunderts – einer Zeit, in der sich das bürgerliche Musikleben Londons in großen Schritten zu einem der aufregendsten von ganz Europa entwickelte. Hier konnte man als Impresario mit ansprechenden Inszenierungen im Handumdrehen reich werden und ebenso rasch bankrott gehen. Seit 1705 überrollte außerdem die italienische Musik alle Bühnen, Konzertsäle und privaten Salons. Zugleich verbreiteten rührige, strategisch geschickte Verleger die jeweils aktuelle Musik in zahlreichen Arrangements.
Dass sich dabei nicht alles gleich um Georg Friedrich Händel drehte, belegt das hier geschmackvoll und mit individueller Gestaltung eingespielte Repertoire, wobei das «ca.» im Motto der CD die zeitlichen Verhältnisse recht treffend umschreibt: Die Instrumentalbearbeitung einer Arie von Nicola Francesco Haym (1678–1729) erschien bereits um 1710 im Druck, die (verspätete?) Sonate für Viola da gamba von Händel wurde um das Jahre 1730 publiziert. Bei den hochkarätigsten Werken handelt es sich um zwei Concerti: zum einen um eines «a quattro», das früher einmal Telemann zugeschrieben wurde (obwohl man doch «Händel» deutlich heraushört), zum anderen um eines von Johann Christian Schickhardt (1681–1762). Ursprünglich in d-Moll sowie für vier Blockflöten und Basso continuo geschrieben (op. 19/2), erklingt es hier in einer nach a-Moll(!) transponierten Fassung mit je zwei Travers- und Blockflöten. Diese «Tieferlegung» geht freilich auf Kosten der originalen Verve, was kaum durch den nun wohlig strömenden Klangfluss ausgeglichen wird. Dennoch ist die Produktion wirklich hörenswert.
London ca. 1720. Corelli’s Legacy.
William Babell. Concerto D-Dur op. 3/2;
Francesco Geminiani. Sonate D-Dur op. 1/4;
Arcangelo Corelli / Johann Christian Schickhardt. Sonate F-Dur op. 6/4;
Georg Friedrich Händel. Concerto a quattro (vormals Telemann zugeschrieben);
Johann Christian Schickhardt. Concerto d-Moll op. 19/2;
Georg Friedrich Händel. Sonate g-Moll HWV 364b;
Georg Friedrich Händel. Spera si mio caro bene (aus: Admeto HWV 22);
Nicola Francesco Haym / Pietro Chaboud. Thus with thirst my souls expiring.Ensemble La Rêveuse
harmonia mundi HMM 905322 (2019)
- 1717. Memories of a Journey to Italy / Scaramuccia
- London ca. 1720. Corelli’s Legacy / La Rêveuse
- Leipzig 1723 / Capricornus Consort Basel
- Edinburgh 1742 / Ensemble Maryas
- Mannheim 1778 / Letzbor, Traxler