15. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Chamber Music with Winds and Piano

Chamber Music with Winds and Piano
Chamber Music with Winds and Piano

In einer noch immer erstaunlich anmutenden produktiven Wechselwirkung beförderten sich in den letzten drei Dekaden des 19. Jahrhunderts der französische Instrumentenbau, Pariser Institutionen und am Repertoire interessierte Komponisten gegenseitig und brachten so die kammermusikalisch unterrepräsentierten Holzbläser zu neuem Glanz. Ablesbar ist dies an der Gründung der Société Nationale de Musique (1871), der Société de Musique de Chambre pour Instruments à Vent (1879) sowie der Société Moderne d‘Instruments à Vent (1879), aber auch an der Anzahl musikalisch herausragender Werke, die nicht allein einzelne Instrumente idiomatisch erkunden, sondern auch zu neuen Formationen zusammenfügen: von der Wiederbelebung des von Anton Reicha in Paris eingeführten Holzbläserquintetts bis zum neuartigen Trio d’anche in den 1920er Jahren – oder natürlich den verschiedenen Besetzungskonstellationen mit Klavier.

Wohl keine andere Instrumentengruppe könnte klanglich angemessener die Leichtigkeit des l’art de vivre verkörpern, in der man sich schon toposhaft den Alltag in der Seine-Metropole denkt. Doch nicht nur mit der Groupe des Six blühte diese musikalische Mühelosigkeit auf; sie findet sich später noch im Œuvre von Jean Françaix, und schon zuvor entstanden einzelne Sätze und Werke, deren unmittelbare Direktheit aus einer ganz anderen Welt als der des Impressionismus stammt.

Einen exzellenten Überblick gibt dieses Album der Solistes de l’Orchestre de Paris mit einer vorzüglichen Auswahl (neun Werke von neun Komponisten). Am faszinierendsten sind dabei die Ensemblestücke – vom kurzweiligen Divertissement op. 6 (1906) von Roussel über die barocke Strenge in d’Indys Sarabande op. 72 (1918) bis hin zur humorvoll witzigen L’Heure du Berger (1947) von Françaix. Das alles wird hochkarätig und mit Lust interpretiert und doch von der auf Abstand setzenden Tontechnik auch ein wenig im Stich gelassen.


Chamber Music with Winds and Piano
Mit Werken von: Albert Roussel (1869-1937), Charles Koechlin (1867-1950), Paul Taffanel (1844-1908), Vincent d’Indy (1851-1931), André Messager (1853-1929), Jean Françaix (1912-1997), Emmanuel Chabrier (1841-1894), Eugène Bozza (1905-1991), Alexandre Tansman (1897-1986)

Mitwirkende: Laurent Wagschal, Les Solistes de l’Orchestre de Paris

  • Albert Roussel: Divertissement op. 6 (1906);
  • Charles Koechlin: Sonate op. 71 für Fagott und Klavier (1919);
  • Paul Taffanel: Andante Pastoral für Flöte und Klavier (1907);
  • Paul Taffanel: Scherzettino für Flöte und Klavier (1907);
  • Vincent d’Indy: Sarabande et Menuet op. 72 (1918);
  • André Messager: Solo de concours für Klarinette und Klavier (1899);
  • Jean Françaix: L’Heure du Berger (1947);
  • Emmanuel Chabrier: Larghetto für Horn & Klavier (1875);
  • Eugène Bozza: Fantaisie Pastorale für Oboe und Klavier (1939);
  • Alexandre Tansman: La Danse de la Sorcière (1923).

Les Solistes de l’Orchestre de Paris, Laurent Wagschal (Klavier)

Indesens INDE 142 (2020)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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