21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Joseph Haydn: Streichquartette – Quatuor Hanson

Joseph Haydn: Streichquartette – Quatuor Hanson
Joseph Haydn: Streichquartette – Quatuor Hanson

„Non omnis moriar“. Besser hätte man ein Album mit insgesamt sechs Streichquartetten von Joseph Haydn kaum überschreiben können – und doch ist es unterm Strich ein wenig übertrieben, heute noch so deutlich eine Lanze für die Kunst des unsterblichen Meisters zu brechen. Nicht nur, dass es längst Gesamteinspielungen der knapp 80 richtungweisenden Werke gibt (statt der Hob.-Nummer sollte man sich am besten immer über die Opus-Zahl verstän­digen) und sie an Quartettabenden schon lange nicht mehr als gefällige „Warm­spieler“ gelten. Mehr aber noch haben in den vergangenen Jahren und Jahr­zehnten zahlreiche Ensembles teilweise exzeptionelle Aufnahmen vorgelegt, die das alte Bild des gemächlichen „Papa Haydn“ in die Rumpelkammer verwiesen haben. So setzt sich also das junge französische Quatuor Hanson im Booklet (schlecht beraten) letztlich mit seinen Hör- und Spielerfahrungen auseinander.

Am Ende zählt allerdings die eigene Interpretation – und da hat die Formation wirklich Eigenes zu sagen. Das beginnt mit einer ambitionierten Auswahl des „Sixpacks“ quer durch den Bestand von op. 20 bis op. 77 und endet bei der vorzüglichen Akustik: direkt und doch ohne Spitzen, ausgewogen zwischen ein­zelnem Instrument und Ensembleklang, mit der Ahnung des umgebenden Raums (Théâtre d’Arras). – Natürlich könnte man sich den Kopfsatz des Quinten-Quartetts (op. 76/2) analytischer und damit auch dramatisch griffiger vorstellen, das ungarische Adagio in op. 54/2 rhapsodischer (singulär wie radikal hier noch immer: das Smithsonian Quartet 1989). Es zählt freilich die Gesamtschau. Und genau hier trifft das Quatuor Hanson den richtigen Ton und Tonfall mit einer unverkennbar frankophonen Färbung. Trotz tiefem Ernst scheint durch die verwobene Faktur eine lichte Leichtigkeit, die den späteren Werken etwas von ihrer schweren „Arbeit“ nimmt, den frühen aber ein Stück ihrer Nachdenklichkeit und ihrem Übermut zurückgibt. Selten habe ich das op. 20/5 so intellektuell überlegen gehört, selten das op. 33/5 so reif in der Aussage – und damit eben in einer ganz neuen, besonderen Art.


Joseph Haydn: Streichquartett D-Dur op. 50/6, Streichquartett d-Moll op. 76/2, Streichquartett C-Dur op. 54/2, Streichquartett G-Dur op. 33/5, Streichquartett f-Moll op. 20/5, Streichquartett F-Dur op. 77/2
Quatuor Hanson

Aparté AP 213 (2018/19)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #026 – Streichquartette