Bereits im Booklet wird fast entschuldigend von einer Portrait-CD gesprochen, angesichts der hier zu verfolgenden, fast verwirrend vielfältigen ästhetischen Ansätze, die sich (erfreulicherweise) nicht allzu leicht mit einem Etikett versehen lassen. In Japan geboren, zunächst auf der Violine ausgebildet, dann der Komposition und später auch dem Dirigieren verpflichtet, lebt Yoichi Sugiyama (geb. 1969) seit fast 20 Jahren in Mailand – nicht als Wanderer zwischen den Kulturen, sondern die Traditionen reflektierend.
So handelt es sich bei Kuguhi (Schwanengesang, 2015) um eine Komposition für ein Koto, die das Instrument gestisch zwar nicht von seiner Vergangenheit befreit, es aber in die Gegenwart bringt. Frei zu gestalten ist sind die Two Verses by Du Fu (2014), hier dokumentiert in einer die Linien eng aufeinander beziehenden Aufführung bei der Asia Society in New York. Ambitioniert – auch gesellschaftlich, politisch – gibt sich The Last Interview from Africa (2013), allerdings aus einer fernen Perspektive.
Für mich zeigen sich Sugiyamas musikalische Vorstellungen indes am deutlichsten in den re-komponierten Kinderszenen (2017, für ein Quartett aus vier Bratschen). Eingefärbt, verfremdet, fragmentiert, mitunter originell gedeutet, manchmal auch gespreizt und an der Schwelle zum Uneigentlichen. Eine Portrait-CD mit Stationen, aber ohne Weg.
Yoichi Sugiyama: Kinderszenen
Kazue Sawai (Basskoto), The Imai Viola Quartet u.a.NEOS 11901 (2013–2017)
- Freimaurermusik: Vocal Concert Dresden, Peter Kopp
- Kurt Weill: Mahagonny. Ein Songspiel … (Ensemble Modern, HK Gruber …)
- Carl Czerny: 30 Études de Mécanisme op. 849 – Nicolas Horvath (Klavier)
- Norbert Burgmüller: 25 Études Faciles et Progressives … Carl Petersson (Klavier)
- Åke Parmerud: Zeit aus Zeit (2002), Mirage (1995), Rituals (2006)
- Yoichi Sugiyama: Kinderszenen – Kazue Sawai (Basskoto), The Imai Viola Quartet u.a.
- Paavo Heininen: Violin Sonatas