Die Geschichte des Streichquartetts ist die eines zeitlosen Erfolgs. Was diese Gattung über die Jahrzehnte und Jahrhunderte überstanden hat, ist gigantisch. Denn während die Welt mehrfach in Flammen stand, radikale Wege der stilistischen Reflexion und Erneuerung gesucht wurden, hat es schlichtweg überlebt, mehr noch: es hat seinen klaren, abstrakten Klang immer in den Dienst der ewigen Erneuerung gestellt und dennoch (ästhetisch) nie an Reiz verloren, auch nicht abgehoben im Helikopter.
Das dänische Kult-Label dacapo (man könnte auch von einem staatlich geförderten Musikmonopol sprechen) setzt nun mit der begonnenen Einspielung aller 14 Streichquartette von Pelle Gudmundsen-Holmgreen (1932–2016) ein Ausrufezeichen; in der ersten Folge mit den Quartetten Nr. 1–6 (1959–1983), alle als „World premiere recordings“ deklariert. Tatsächlich sagen sie mehr über den Stand der Gattung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus als über Gudmundsen-Holmgreen selbst. Denn das ist die Crux des abstrakten Satzes: Er führt zum stilistischen Kern zurück – und dort stellt sich alsbald die Gretchenfrage der Individualisierung.
Das erst 2013 gegründete Nordic String Quartet nimmt sich der Partituren äußerst verständig, vorsichtig und hochprofessionell an – ohne allerdings das letzte Risiko zu wagen. Für mich aber stellt sich eine ganz andere Frage: Wann endlich kommen von Dänemark aus die neun Quartette von Ering Brene (1896–1980) auf den Prüfstand?
Pelle Gudmundsen-Holmgreen: Complete String Quartets Vol. 1
Nordic String Quartetdacapo 8.226217 (2017/18)
- Esa-Pekka Salonen: Cello Concerto (2017)
- Waxman: Carmen-Fantasie / Schostakowitsch: Violin Concerto No. 1 op. 77
- Pehr Henrik Nordgren: As in a Dream (2018)
- Pelle Gudmundsen-Holmgreen: Complete String Quartets Vol. 1 – Nordic String Quartet
- William Alwyn, Doreen Carwithen: Music for String Quartet – Tippett Quartet
- London. Une histore de la musique de chambre londonienne Vol. 1
- Futurism and Early Italian Avantgarde – Steffen Schleiermacher, Klavier (2018)