21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mieczyslaw Weinberg: Symphony No. 2 / Symphony No. 21 „Kaddish“

Mieczyslaw Weinberg: Symphony No. 2 / Symphony No. 21 „Kaddish“

Irgendwie konnte sich die Deutsche Grammophon nie so recht entscheiden, wie sie ihr bestes Markenzeichen gestaltet. Einige Jahre war das prägende „Gelb-Label“ gar vollständig vom Cover verdrängt bzw. unscheinbar in die Ecke gestellt, nun ist es seit einiger Zeit wieder vermehrt präsent. Gut so, sagt sich der Sammler. Er kann im bedrohten Wald des CD-Marktes auf diese Weise auch leichter zwischen Baum und Borke unterscheiden. Wer aber hat schon einmal genauer hingesehen? Da stehen in fetten Lettern einmal Komponist und Werk, ein anderes Mal aber die Interpreten. Und die Reihenfolge erscheint auch eher beliebig, wenn nicht … Ja wenn einen nicht das Gefühl beschleichen würde, dass es am Ende gar nicht um eine inhaltliche Systematik geht, sondern um reines Marketing.

So auch hier: Dass die DG nun ebenfalls noch rasch mit einem Doppelalbum auf den längst abgefahrenen Weinberg-Zug aufspringt, mag man als „Veredelung“ empfinden. Allerdings fehlt es mir bei der nur mit Streichern besetzten 2. Sinfonie op. 30 (1946) wie auch in der teilweise konzertanten 21. Sinfonie op. 152 (1991) „Kaddish“ in dieser Einspielung an jenem inneren, zwischen den Notenzeilen stehenden „Müssen“, ohne das die Partituren seltsam blutleer anmuten. Oder war die Auswahl eher doch davon bestimmt, mit welchen Werken man noch punkten konnte? (Honi soit qui mal y pense.) Jedenfalls haben sich das City of Birmingham SO und die Kremerata Baltica der Sache unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla hoch professionell angenommen – das Violinsolo spielt Gidon Kremer, die kurzen Vokalisen im Finale übernimmt die Dirigentin selbst. Obwohl sicherlich ein Mahnmal für die Schrecken das 20. Jahrhunderts, ist es aber wohl doch vermessen, von einer „Mahler 11“ (Kremer) zu sprechen; das Werk ist und bliebt in jeder Beziehung „Weinberg 21“.


Mieczyslaw Weinberg: Symphony No. 2 op. 30 (1946), Symphony No. 21 op. 152 (1991) „Kaddish”
City of Birmigham Symphony Orchestra, Kremerata Baltica, Mirga Gražinytė-Tyla
Deutsche Grammophon 483 6566 (2018), 2 CDs

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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