25. Oktober 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Arvo Pärt – Credo

Arvo Pärt – Credo
Arvo Pärt – Credo
Auch wenn der Titel des Albums zunächst nur auf eine im Jahe 1968 vollendete Partitur abzielt, so ist er doch weit umfassender. Er umfängt das nun schon neun Dekaden umfassende Leben von Arvo Pärt, aber eben auch sein Schaffen. Dem «ich glaube» ist nämlich auch die umfassende «Glaubwürdigkeit» seiner Musik an die Seite zu stellen – von der frühen avantgardistischen Periode über eine Phase mit neoklassizistischen Experimenten bis hin zu all den Werken, mit denen er seit einem halben Jahrhundert ein breites und von ganz verschiedenen Voraussetzungen kommendes Publikum erreicht. Es sind genau diese stillen und von innen heraus atmenden Klänge des Tintinnabuli (und seiner weiteren Entwicklung), die anrühren und erheben.

Umso drastischer erscheint das namensgebende Werk auf diesem Album, das mit Zitaten und Anklängen an Bach (Gounod) beginnt und endet – sich dazwischen aber zu einer nach Hilfe schreienden Ekstase aufschwingt. Ein Werk, das in seinem zeitgeschichtlichen Kontext gehört werden muss, das bei seiner Uraufführung in Tallin 1968 sofort verstanden, wiederholt – und umgehend verboten wurde. Bruch und Wendung zu anderen musikalischen Ideen und Parametern sind bereits lebendige Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. So lässt sich wohl auch Mein Weg (1999) hören und verstehen – eine mir bisher unbekannte Komposition, die vieles aus zwei Jahrzehnten zusammenfasst (im Booklet jedoch ohne Bemerkung bleibt). – Die Werkauswahl ist so persönlich wie die Freundschaft von Arvo Pärt zur Familie Järvi, die Einspielung in allem schlichtweg herausragend.

Arvo Pärt. Credo
La Sindone für Orchester und Schlagwerk (2005, rev. 2013); Fratres (1977; rev. 1991); Swansong (2013); Für Lennart in memoriam (2006); Da pacem Domine (Fassung für Streichorchester) (2004); Silhouette, Hommage à Gustave Eiffel (2009); Cantus in memoriam Benjamin Britten (1977, rev. 1980); Mein Weg für 14 Streichinstrumente und Schlagwerk (1999, rev. 2000); Credo für Klavier, gemischten Chor und Orchester (1968); Estonian Lullaby, Fassung für Frauenstimmen und Streichorchester (2002, rev. 2006)
Kalle Randalu (Klavier), Estonian National Male Choir, Ellerhein Girls Choir, Ellerhein Alumni Choir, Estonian Festival Orchestra, Paavo Järvi

Alpha ALP 1158 (2025)

HörBar<< Arvo Pärt – For Arvo

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden - entweder täglich oder mit den Rezensionen der vergangenen Woche am Sonntag.

Liste(n) auswählen:
DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #167 – Arvo Pärt 90

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden.