6. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Sophie Junker

Sophie Junker
Sophie Junker
Im Gegensatz zu vielen Komponist:innen ist über die meisten Sänger:innen früherer Jahrhunderte kaum etwas bekannt, selbst über jene nicht, die mit herausragenden Rollen auf der Opernbühne von sich reden machten. Dies gilt auch für «La Francesina» (die kleine Französin), die letzte von Händel in London hochgeschätzte Sopranistin. Über die Herkunft und Ausbildung von Élisabeth Duparc (so ihr bürgerlicher Name) ist kaum etwas bekannt, so dass davon auszugehen ist, dass bereits ihre Zeitgenossen kein Interesse an solchen biografphischen Details (den Metadaten des Lebens) hatten. Sie wurde zwischen 1710 und 1715 geboren und starb 1773 oder 1778. Ihre Stimme wurde hingegen gelegentlich beschrieben, etwa von Charles Burney als «lark-like» (wie eine Lerche).

Händel schrieb für sie ab 1737 – und sie blieb bis 1746 seine bevorzugte Primadonna, sowohl in der Oper als auch im Oratorium. Wie zu jener Zeit üblich, komponierte er ihr die Partien genau „in die Kehle”, sodass sich noch heute beim Blick in die Noten (freilich ohne die improvisierten Verzierungen und Kadenzen) eine Vorstellung von ihrer Stimme gewinnen lässt. Hier setzt das Album mit Sophie Junker an, die mit ihrem schlanken und leichten Sopran offenbar über eine sehr ähnliche Tessitura verfügt. Jedenfalls sind die hier versammelten Arien ein musikalisches Festmahl; die eingestreuten Instrumentalsätze sorgen für willkommene Abwechslung. So ausdrucksstark im Wort und brillant in den Höhen Sophie Junker auch agiert, ihre Stimme wirkt seltsam präsent. Sie wurde weit vor dem Ensemble durch zwei Mikrofone eingefangen, was eine sehr direkte Aufnahme ergibt, wie man sie eher aus der Popmusik kennt. Unter dem Kopfhörer wird jedes Detail hörbar, jede Wendung des Kopfes, aber auch der eher spontane als dramaturgisch gehende Wechsel von links nach rechts und umgekehrt. Händels Musik hält das allerdings mühelos aus.

La Francesina. Handel’s nightingale
Georg Friedrich Händel. «Prophetic raptures swell my breast» aus: Joseph and his Brethren HWV 59; «What passion cannot music raise and quell!» aus: Ode to St. Cecilia’s Day HWV 76; «Và, perfido! quel cor mi tradirà» aus: Deidamia HWV 42; Sinfonia aus: Belshazzar HWV 61; «Myself I shall adore» aus: Semele HWV 58; Overture aus: Semele HWV 58; «My father! Ah!» aus: Hercules HWV 60; Musette from «Sinfonia» aus: The Occasional Oratorio HWV 62; «Mi parto lieta sulla tua fede!» aus: Faramondo HWV 39; «In sweetest harmony they lived» aus: Saul HWV 53; «Nasconde l’usignol in alti rami il nido» aus: Deidamia HWV 42; «Nè men con l’ombre d’infedeltà» aus: Serse HWV 40
Sophie Junker (Sopran), Le Concert de l’hostel Dieu, Franck-Emmanuel Comte

Aparté AP 233 (2019)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 3 in Michael Kubes HörBar #157 – Stimmen

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