24. Juni 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Orgel + Posaune

Orgel + Posaune
Orgel + Posaune
Eigentlich ein interessantes Album. Denn es erklingt die historische Sauer-Orgel (1928) aus der Bremer «Glocke» in Kombination mit historischen Posaunen (1920) von Franz Kuhn, die sich ebenfalls im unveränderten Originalzustand erhalten haben. Nun ist es im sinfonischen Bereich schon länger üblich, mit derart «alten» Instrumenten zu musizieren (etwa bei Les Siècles), aber in Form eines Quartetts (mit je einer Alt- und Tenorposaune sowie zwei Bassposaunen) begegnen diese Zuginstrumente doch eher selten. Im Booklet wird auch der verfolgte Anspruch einer «historisch informierten» Aufführungspraxis beschrieben – wohlgemerkt eine aus den 1920er Jahren. Grundlage bildeten dabei Lehr- und Studienwerken von Paul Weschke, der einst die erste Posaunen-Professur in Deutschland bekleidete.

So vorbereitet enttäuscht das Album dann aber in Teilen – gerade was die Quartette angeht. Denn sowohl intonatorisch als auch technisch kann das nach dem Instrumentenmacher benannte Franz Kuhn-Posaunenquartett keinesfalls überzeugen. Zwar bildet der wunderbar warme und an Obertönen reiche Ton eine Grundlage, allein reicht er aber kaum aus. Auch solistisch hat sich Juan González Martinez bei diesem Projekt, das 2021 vermutlich aus der allgemeinen Krise hervorgegangen ist, keinen großen Gefallen getan. Solche verfrühten Momentaufnahmen gehören einfach nicht in den Plattenschrank – auch wenn das Repertoire eine bisher nicht wahrgenommene Lücke füllt. Zudem stellt sich die Frage, ob die klangliche Relation zwischen Solo und großer romantischer Orgel stimmt. Natürlich imponiert die im originalen Zustand erhaltene, grundtönig-romantische Sauer-Orgel, aber auch ohne ein Hochdruckregister erscheint das von Lea Suter gespielte Instrument selbst in begleitender Funktion zu schwach eingefangen.

Orgelpunkt. Die Sauer-Orgel Glocke Bremen Vol. 2
Franz Liszt. Aria «Cujus animam» aus: Stabat mater von Rossini; Arno Hansen. Quartett IV; Opernmelodien – Großes Potpourri Nr. 2; Richard Eckhold. Adagio; Friedrich August Belcke. Fantasia über ein Motiv aus «Der Ostermorgen» (Sigismund Ritter von Neukomm); Fantasia op. 58; Gustav Adolf Merkel. Arioso; Max Reger. Romanze; A. Hänsel. Recitativo und Adagio; Adagio; Max Peters. Elegie op. 9; Paul Weschke. Marcia
Duo GlossArte, Lea Suter (Orgel), Juan González Martinez (Posaune), Franz Kuhn-Posaunenquartett

MDG 951 2253-6 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 2 in Michael Kubes HörBar #159 – Orgel plus

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