
Vor einem halben Jahrhundert hätte man einen Titel wie SiGNALE vielleicht doch eher mit der Musik eines Karlheinz Stockhausen oder eines Henk Badings in Verbindung gebracht. Mehrere Orchester vielleicht, sicher elektronische Klänge oder Zuspielungen vom Tonband. Bei Kerstin Petersen kommen die Signale aus Versen von Rose Ausländer in einer Komposition von Siegrid Ernst, gesprochen von Cornelius Gebert: Es geht ums Leben, in seiner Zerbrechlichkeit, in seiner Hoffnungsfähigkeit, in seiner Schmerzhaftigkeit. In Glück und Unfrieden ebenso wie im Nelkenduft, der vorbeizieht. Ausdruck ohne Wehleidigkeit. Und da sind eben auch der Orgelklänge wie Signalgeber from Outer Space. In unsere Ohren und das was dazwischen liegt und unterhalb davon.
Auf diesem Album sind weitere absolut eigenständige Kompositionen von Rikako Watanabe, Alyssa Aska, Ana Szilágyi, Ruth Wiesenfeld und Lotte Backes für Orgel solo oder im Zusammenspiel mit Perkussion (Lin Chen) oder Gong (Ada Namani). Das Album nimmt einen auf ganzer Linie mit. Es handelt sich teilweise um Ersteinspielungen, die von musikalischer Kunstfertigkeit zeugen und Orgelklänge zum Leuchten bringen, zum Duften eben und zum Anvibrieren des Ichs.
Im Booklet heißt es dazu, man erschaffe «raffinierte Klangwelten, die Virtuosität mit Meditation und Trance verbinden und faszinierende Hör-Räume der Neuen Musik öffnen». Das ist nicht übertrieben. Das ist nicht untertrieben. Selten hat eine Kompilation von Werken unterschiedlicher Komponist:innen und Werkansprüchen eine so durchgängig mitnehmende Kraft entfaltet, wie dieses Album. Das ist der wirklich tadellosen Aufnahmetechnik, aber vor allem den Werken selbst und ihrer Darstellung durch das Ensemble mit Kerstin Petersen zu danken. Wenn man dazu liest: «Ungewöhnliche Reisen zu außerordentlichen Klängen!» ist das ungelogen richtig. Äußerst vorzüglich, Ana Szilágyis «Das Wiedersehen» ein absoluter Höhepunkt.
Kerstin Petersen – SiGNALE [2025]
Rikako Watanabe (*1964): Mikoshi (2023) für Orgel und Perkussion / Passés présents (2021) für Orgel – Siegrid Ernst (1929–2022): Das Signal (2012) für Orgel und Sprecher über Texte von Rose Ausländer – Alyssa Aska (*1985): aufstieg.entspannung (2020). Urfassung für Schlangen-Gong und Orgel / bei mir (2021) für Orgel & Drones nach der Arie Bist du bei mir und dem Gemälde Maria von Magdala von Mehrdad Zaer / aufstieg.entspannung (2021) Version für Perkussion und Orgel – Ana Szilágyi (*1971): Das Wiedersehen (2020) für Orgel solo nach der Skulptur Das Wiedersehen von Ernst Barlach – Ruth Wiesenfeld (*1972): Nebelkammern (2023) für Schlangen-Gong und Orgel – Lotte Backes (1901–1990): Mysterium Dei (1974) für Orgel
- Kerstin Petersen – Orgel
- Lin Chen – Perkussion
- Ada Namani – Gong
- Cornelius Gebert – Sprecher
Genuin. GEN 25900 (VÖ: 4.4.2025)