14. Mai 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Leipziger Streichtrio

Leipziger Streichtrio
Leipziger Streichtrio
Man muss schon genau hinsehen. Denn nicht das renommierte Leipziger Streichquartett hat dieses Album eingespielt, sondern das 2019 gegründete Leipziger Streichtrio. War es beim Quartett das Gewandhausorchester, so ist es beim Trio zumindest teilweise das MDR-Sinfonieorchester, das Ort und Namen motiviert. Und dem mit «Leipzig» verbundenen musikalischen Anspruch (ja, den gibt es auch noch im 21. Jahrhundert) werden die drei Herren auf ihrer Debüt-CD vollauf gerecht. Wer bei der Gattung »Streichtrio» noch unsicher ist, was diese strukturell und damit auch klanglich zu bieten hat, wird hier mit Sicherheit auch vom Repertoire her überzeugt. Denn bei der Werkauswahl wurde weder auf eine «Landschaft» zurückgegriffen noch auf etablierte Klassiker gesetzt.

Mit Werken von Ernst von Dohnanyi und Jean Françaix sowie Jean Sibelius und George Enescu stehen zwei Gattungsstandards und zwei Entdeckungen auf dem Programm. Sie alle spielt das Leipziger Streichtrio mit Vitalität und emotionaler Dichte – rhythmisch prägnant und in den ruhigen Sätzen und Passagen mit klar gezeichneten, nach vorne gerichteten Linien. Das zeigt sich besonders in der anspruchsvollen Serenade von Dohnanyi – ein ohnehin großartiges Werk, das ich auf diesem Album noch einmal ganz neu kennengelernt habe. Die für ein Streichtrio so schwierige Balance zwischen individueller Durchhörbarkeit und gemeinsamem Ensembleklang ist hier kein Thema, so selbstverständlich wirkt das Zusammenspiel. Kurioserweise kommt der runde, klanglich markante Ensembleklang ausgerechnet in der Triobearbeitung der Ciaccona aus Bachs Solo-Partita BWV 1004 zur Geltung. – Für das nächste Album wünsche ich mir eine ebenso kraftvolle und mitreißende Interpretation der beiden Streichtrios von Paul Hindemith.

Passion
Ernst von Dohnanyi. Serenade op. 10 (1904); Jean Françaix. Streichtrio (1933); Johann Sebastian Bach. Chaconne für Violne BWV 1004 (arr. für Streichtrio von András von Tòszeghi); Jean Sibelius. Streichtrio JS 210 (1894); George Enescu: Aubade (1899)
Leipziger Streichtrio

Ars Produktion ARS 38 630

HörBar<< Deutsches Streichtrio

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    View all posts
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 2 von 2 in Michael Kubes HörBar #155 – Streichtrios

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden..