Karol RathausEr gehört zu jenen Komponisten, deren Werke im Dritten Reich als «entartet» gebrandmarkt wurden und die selbst unter unmittelbarem existenziellem Druck standen. Wie Hans Heller entschloss sich auch Karol Rathaus (1895–1954) früh, Berlin zu verlassen und über Paris nach London und 1938 nach New York zu emigrieren. Als einer der wichtigsten Schüler von Franz Schreker (und selbst dann in Berlin Dozent), erhielt Rathaus in der Neuen Welt eine Professur für Komposition am Queens College – und konnte somit seine schöpferische Tätigkeit ohne größere Unterbruch fortsetzen. Die Tragik seines Schaffens erstreckte sich dann nach dem Zweiten Weltkrieg auch auf den Osten Europas, wo er als Komponist deutsch-österreichischer Nationalität mit polnisch-jüdischer Abstammung von der kommunistischen Diktatur ebenfalls totgeschwiegen wurde – vergleichbar etwa Jerzy Fitelberg, Szymon Laks, Andrzej Panufnik, Alexander Tansman oder Mieczysław Wainberg.
Die beiden hier erstmals eingespielten Klaviertrios stammen bereits aus der späteren Zeit in der Neuen Welt, was man ihnen auch an ihrer Abgeklärtheit merkt. Die 1953 entstandene Serenade op. 69 (für die klassische Besetzung) ist formal viersätzig (mit einem Scherzando an zweiter Stelle), stilistisch neoklassizistisch inspiriert und folgt satztechnisch ganz den traditionellen Konstellationen der Gattung. Das Trio op. 53 von 1944 erinnert in der Besetzung an Bartóks Contrasts von 1938, tritt aber hinter deren Innovationskraft zurück. Tatsächlich schimmert in den weiteren Klarinettenlinien eher etwas von Brahms und Reger durch, im dritten und letzten Satz etwas von der gerade aufblühenden «amerikanischen» Musik (Aaron Copland). Was die beiden Werke nun so hörenswert macht, ist ihre historisch konservativ anmutende Position zwischen Tradition und Avantgarde, obwohl sie einer in ihrer Vielfalt bisher kaum wahrgenommenen Phase der Nachkriegsmusik entstammen. – Die Interpretationen sind souverän und mit Herzblut vorgetragen, die von kammermusikalischer Intimität und angenehmer Räumlichkeit geprägte Aufnahme ist akustisch hervorragend.
Karol Rathaus. Trio Serenade (Klaviertrio) op. 69 (1953); Trio op. 53 für Klarinette, Violine und Klavier (1944)
Karol Rathaus Ensemble DUX 1712 (2019/20)
Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.