7. April 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Salon de Ravel / Marina Baranova

Salon de Ravel / Marina Baranova
Salon de Ravel / Marina Baranova
Mit sogenannten Konzeptalben tue ich mich schwer. Zu oft kann man nämlich den Eindruck gewinnen, die Zusammenstellung der einzelnen Sätze und Kompositionen wäre beliebig und dabei mehr oder weniger offensichtlich bloß einer Marketingstrategie geschuldet. Die Musik selbst wird dann zur Verfügungsmasse, um die jeweiligen Protagonisten in Szene zu setzen. Und wo die ausgewählten Stücke im Original nicht so recht passen, werden sie durch Arrangements passend gemacht. Meist entsteht so ein Stil-Mix, der ein vermeintlich breiteres Publikum ansprechen soll. Von all dem ist bei Salon de Ravel nichts zu spüren. Es ist eine Produktion, die bei der Auswahl der Stücke alles richtig gemacht hat: Bekanntes und Unbekanntes, Originale oder (in einem Fall) eine unspektakuläre Bearbeitung. Was ist das Geheimnis?

Marina Baranova hat sich für diese Produktion gedanklich in die Zeit um 1900 zurückversetzt und nimmt ihre Hörerschaft mit in einen Pariser Salon, in dem neben einigen frühen Werken von Ravel auch anderes erklingt – von Klassikern und Zeitgenossen. Es sind die Stücke selbst, die plötzlich untereinander zu korrespondieren beginnen. Nicht nur ästhetisch, sondern auch musikalisch und bisweilen gar motivisch. Und genau da liegt der besondere Reiz des Albums. Sechs Paare werden gebildet, bei denen entweder ein Satz von Ravel dem Bezugspunkt vorangeht oder ihn nachfolgend kommentiert. Ob es immer genau diese Werke waren, auf die sich Maurice Ravel bei seinen Kompositionen «à la manière» bezog, bleibt glücklicherweise offen und öffnet daher die Ohren: Nummer von Borodin, Haydn, Chabrier, Fauré, Couperin wie auch Grieg erklären gleichsam Ravels schöpferische Überformungen mit ihren teilweise verblüffenden Zusammenhängen (die Spiegelachse bildet ein Prélude à la manière de Ravel von Marina Baranova selbst). Interpretatorisch setzt Marina Baranova auf ein klares, direktes Spiel mit differenzierter Dynamik und farbigen Kontrasten, wobei ihr auch der sehr warm intonierte Flügel (ich wette, kein Steinway) in die Hände spielt. – Auch wenn das Jubeljahr noch jung ist: für mich sicherlich einer der Ravel-Höhepunkt, auch ohne viel Ravel.

Salon de Ravel
Maurice Ravel. À la manière de Borodin; Menuet sur le nom d’Haydn; À la manière de Chabrier; Berceuse sur le nom de Gabriel Fauré; Prélude aus «Le Tombeau de Couperin»; Pavane pour une infante défunte; Alexander Borodin. Mazurka aus der Petite Suite; Joseph Haydn. Finale aus der Sonate für Klavier D-Dur Hob. XVI:19; Emmanuel Chabrier. Scherzo. Valse; Marina Baranova. Prélude à la manière de Ravel; Gabriel Fauré. Pavane; François Couperin. Le Dodo ou l’amour au berceau; Edward Grieg. Melodie op. 47/3
Marina Baranova (Klavier)

Berlin Classics 030 3672 BC (2024)

HörBar<< Ravel / Seong-Jin Cho

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 4 in Michael Kubes HörBar #150 – Ravel 150

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