26. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Sinding / Norrköping Symphony Orchestra

Sinding / Norrköping Symphony Orchestra
Sinding / Norrköping Symphony Orchestra
Noch immer kennt man Christian Sinding (1856–1941) nur durch sein Frühlingsrauschen op. 32/3 – ein Klavierstück, das um die Wende zum 20. Jahrhundert und weit darüber hinaus für den Verlag «durch die Decke ging». Inzwischen ist deutlich mehr von ihm auf Alben und im Streaming verfügbar, und doch bleibt es merkwürdig still um den norwegischen Romantiker, der einst (wie nur Edvard Grieg, Ole Bull und Johan Svendsen) auch außerhalb seiner Heimat Aufmerksamkeit fand. Anders als Grieg verschrieb sich Sinding nach seinem Studium am Leipziger Konservatorium aber nicht der norwegischen Volksmusik und den damit verbundenen Idiomen, um sich von den überlieferten klassizistischen Traditionen abzugrenzen; vielmehr wandte er sich während eines Aufenthalts in München der «Neudeutschen Schule» und der Tonsprache Richard Wagners zu.

Spürbar wird dies ab der 2. Sinfonie – denn ab da werden die ohnehin schon etwas satter instrumentierten Partituren im Klang körperlich. Die Kunst der Interpretation besteht also darin, diese kompositorische Vorgabe für heutige Ohren abzufedern. Zwar hat das Ideal der «Durchhörbarkeit» schon seit geraumer Zeit zugunsten einer unmittelbareren sinnlichen Interpretation an Einfluss verloren, doch stellt sich die Frage, inwieweit eine Dauer-Sämigkeit einen längeren Verlauf wirklich tragen kann. Bei Sinding betrifft dies insbesondere die als Rhapsodie angelegte Sinfonie Nr. 4 aus dem Jahre 1936 mit dem an ein per aspera ad astra erinnernden Titel Vinter og Vår (Winter und Frühling). So ordentlich die Einspielung mit dem in den letzten Jahren vielfach geforderten Orchester aus Norrköping auch ist (zu erinnern wäre an den Pettersson-Zyklus und Christian Lindberg), so überzeugt die Einspielung am Ende dennoch nicht ganz – vor allem nicht im Vergleich zu der nun schon 25 Jahre alten Aufnahme mit Thomas Dausgaard und der Radiophilharmonie des NDR (cpo), bei der die dichte (gelegentlich an Richard Strauss erinnernde) Faktur des Werkes in lichter Gestalt weit mehr Kraft und Aussage gewann. Der Vergleich ist anregend, zeigt er doch die Perspektiven auf, die sich mit den Kompositionen verbinden.

Christian Sinding. Sinfonie Nr. 1 d-Moll op. 21 (1894); Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 83 (1907); Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 121 (1919); Sinfonie Nr. 4 Es-Dur op. 129 (1936)
Norrköping Symphony Orchestra, Karl-Heinz Steffens

Capriccio C 5540 (2023/24)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #149 – Sinfonisches

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