Spürbar wird dies ab der 2. Sinfonie – denn ab da werden die ohnehin schon etwas satter instrumentierten Partituren im Klang körperlich. Die Kunst der Interpretation besteht also darin, diese kompositorische Vorgabe für heutige Ohren abzufedern. Zwar hat das Ideal der «Durchhörbarkeit» schon seit geraumer Zeit zugunsten einer unmittelbareren sinnlichen Interpretation an Einfluss verloren, doch stellt sich die Frage, inwieweit eine Dauer-Sämigkeit einen längeren Verlauf wirklich tragen kann. Bei Sinding betrifft dies insbesondere die als Rhapsodie angelegte Sinfonie Nr. 4 aus dem Jahre 1936 mit dem an ein per aspera ad astra erinnernden Titel Vinter og Vår (Winter und Frühling). So ordentlich die Einspielung mit dem in den letzten Jahren vielfach geforderten Orchester aus Norrköping auch ist (zu erinnern wäre an den Pettersson-Zyklus und Christian Lindberg), so überzeugt die Einspielung am Ende dennoch nicht ganz – vor allem nicht im Vergleich zu der nun schon 25 Jahre alten Aufnahme mit Thomas Dausgaard und der Radiophilharmonie des NDR (cpo), bei der die dichte (gelegentlich an Richard Strauss erinnernde) Faktur des Werkes in lichter Gestalt weit mehr Kraft und Aussage gewann. Der Vergleich ist anregend, zeigt er doch die Perspektiven auf, die sich mit den Kompositionen verbinden.
Christian Sinding. Sinfonie Nr. 1 d-Moll op. 21 (1894); Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 83 (1907); Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 121 (1919); Sinfonie Nr. 4 Es-Dur op. 129 (1936)
Norrköping Symphony Orchestra, Karl-Heinz Steffens
Capriccio C 5540 (2023/24)