4. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

CPE Bach / Orchestra of the Eighteenth Century

CPE Bach / Orchestra of the Eighteenth Century
CPE Bach / Orchestra of the Eighteenth Century
Radikal im Tonsatz und Ausdruck. So lassen sich die sechs Streichersinfonien Wq. 182 von Carl Philipp Emanuel Bach charakterisieren, die 1773 in Hamburg entstanden. Bestimmt waren die (je nach Sichtweise) ganz dem Geist der Empfindsamkeit oder des Sturm und Drang stehenden Werke für die von Gottfried van Swieten veranstalteten Sonntagsakademien im Prunksaal der Wiener Hofbibliothek; zugleich zeigen sie, wie Bach dem ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers folgend sich «ganz gehen liess, ohne auf die Schwierigkeiten Rücksicht zu nehmen, die daraus für die Ausübung notwendig entstehen mussten.» Es sind Komposition fast ohne Konventionen, mit teilweise zerklüfteten Verläufen, harschen harmonischen Ausweichungen, fortissimo-Ausbrüche und plötzlichen Abbrüchen. Eine in Töne gegossenen Leidenschaft, die schon 1780 bei einer öffentlichen Darbietung das Hamburger Publikum in ihren Bann zog: «Eben das Neue und Originale, was man in allen Bachischen Compositionen so sehr bewundert, trifft man auch in diesen Sinfonien an, die einen unbeschreiblichen Effect machen, wenn sie gehörig besetzt und gut ausgeführt werden. […] Jede Sinfonie ward zweymal gespielt, und nie vergessen wir den Eindruck, den diese Musik auf uns machte» (Hamburger unparteyische Correspondent).

Damit eigentlich schon fast alles gesagt, was auch heute noch für eine Interpretation der Werke dieser wahrlich singulären Sammlung maßgeblich ist. Und die Einspielung mit dem Orchestra of the Eighteenth Century erfüllt diese Anforderungen durchweg: Hier wird auf höchstem Niveau mit perfekter Technik musiziert und die Musik über dynamische Schwellungen und Differenzierungen bei feinster Artikulation nach vorne getrieben. Das ausgewogene Klangbild sollte dies bestens hörbar machen – wäre da nicht die etwas indirekt reflektierende Akustik der Amsterdamer Keizersgrachtkerk. Außerdem scheinen mir nicht immer alle Stimmen eine durchgehende Leichtigkeit zu besitzen, oft genug auch die Bassgruppe. Aber das ist Beckmesserei. Ansonsten gelten die Worte von Johann Friedrich Reichardt: «Schwerlich ist je eine musikalische Composition von höherm, keckerm, humoristischerm Charakter einer genialen Seele entströmt.»

Carl Philipp Emanuel Bach. Sechs «Hamburger Sinfonien» Wq. 182
Orchestra of the Eighteenth Century, Alexander Janiczek

Glossa GCD 921134 (2021/22)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #147 – CPE Bach

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