4. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

CPE Bach / Nevermind

CPE Bach / Nevermind
CPE Bach / Nevermind
Man muss sich immer wieder einmal die Lebensdaten von Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788) vergegenwärtigen, um sein Wirken und Schaffen einordnen zu können. Seine Kompositionen stehen dabei grundsätzlich der «Wiener Klassik» näher als dem ausgehenden «Barock» – manchmal ist es der «Sturm und Drang», der fast revolutionär Einzug hält, oft genug aber ist es die «Empfindsamkeit», die in der Musik zum Ausdruck kommt. Und CPE Bach spricht dabei eine unverwechselbare Sprache – und das entgegen seiner Hamburger Tätigkeit als Städtischer Musikdirektor und Kantor vor allem in der Instrumentalmusik, und das auf immer wieder neue und überraschende Weise. So auch in den drei Quartetten für die ungewöhnliche Besetzung Flöte, Viola und Basso Continuo – Kompositionen, die in seinem letzten Lebensjahr 1788 entstanden.

Es ist das Jahr, in dem Wolfgang Amadeus Mozart seine drei letzten Sinfonien und Joseph Haydn seine Sinfonien Nr. 90 und 91 auf Schloss Esterházy schrieben – Beethoven war erst ein Jahr zuvor von seiner kurzen ersten Wien- Aufenthalt nach Bonn zurückgekehrt. Wie so oft überschneiden sich Entwicklungslinien vielfältig. Hamburg war jedenfalls weit von der Donau entfernt, und doch sollte CPE Bach mit seiner Musik das Dreigestirn auf je eigene Weise prägen (wie einschlägige Äußerungen Haydns, Mozarts und Beethovens belegen). Und die späten Quartette (denen übrigens ein Auftrag von Sarah Itzig-Lévy aus Berlin vorausging)? Der Titel bezieht sich zunächst nur auf die vier notierten Stimmen, ob man der linken Hand am Tasteninstrument noch ein Streichinstrument beigibt (damit aus dem Trio auch im Ensemble ein Quartett wird) bleibt offen. Satztechnisch sind sie auf jeden Fall höchst delikat und zeigen ihren Schöpfer im 74. Lebensjahr unvermindert originell. Die Einspielung des Ensembles Nevermind ist ein schlichtweg großer Wurf (eine Bezeichnung, die der intimen Musik freilich nicht ganz gerecht wird). Nichts wurde im Zusammenspiel dem Zufall überlassen – und doch atmen die spürbar mit Herz und innerem Beben vorgetragenen Interpretationen den Moment. Herausragend!

Carl Philipp Emanuel Bach. Quartett für Flöte, Viola und Basso continuo a-Moll Wq. 93; Quartett für Flöte, Viola und Basso continuo d-Moll Wq. 94; Quartett für Flöte, Viola und Basso continuo G-Dur Wq. 95; Adagio aus der Sonate A-Dur Wq. 48/6 (Arr. für Flöte, Viola und Basso continuo); Andante von tenerezza aus der Sonate A-Dur Wq. 65/32 (Arr. für Flöte, Viola und Basso continuo)
Nevermind

Alpha ALP 759 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 6 von 5 in Michael Kubes HörBar #147 – CPE Bach

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