Vielleicht war Ryūichi Sakamoto (1952–2023) Mitte der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts der am meisten gespielte und gehörte Komponist, ohne dass man allerdings seine kurzen Stücke als «Werke» wahrgenommen hätte. Denn von ihm stammen viele der standardmäßig im Nokia 8800 (2005) verbauten Sounds und Signale. Seine Filmmusik und CD-Produktionen blieben eher etwas für Kenner, die sich zwischen den Stilwelten Jazz, Pop und «New Classics» bewegen. Trotz seines fortgeschrittenen Krebserkrankung ging Sakamoto wenige Monate vor seinem Tod noch einmal ins Aufnahmestudio. So ist das Album Opus ein kreativer Kraftakt, der nicht nur großen Respekt verdient, sondern auch zeigt, wofür es sich zu leben lohnt.
Und dennoch: Jede der 20 Nummern erzählt von einem kleinen Abschied. Ohne große Gesten, mehr in der Stille weniger Töne, sich zaghaft entfaltender Linien. Vielleicht ist es manchmal sogar eine Suche nach den richtigen Worten, die am Ende doch nichts so sagen können, wie man es sich wünscht. Da tragen die Klänge tatsächlich weiter, auch mit Stücken, die schon älter sind, die hier aber eine ganz neue Bedeutung bekommen – wie die Titelmusik aus Merry Christmas, Mr. Lawrence (1983). Am Schluss steht viel Ruhe und verhaltene Zuversicht mit Happy End (1981) und Opus (1999). Es ist ein Album, das sich mit seinem Hintergrund einer eigentlichen Rezension entzieht – und doch: Was Ryūichi Sakamoto hier noch einmal erzählt, was er anstimmt und welchen Tonfall er wählt, das ist in jedem Moment von berückender menschlicher Größe. Ein Album, mit dem man durch die Nacht kommt, bis irgendwann ein neuer Tag anbricht…
Ryūichi Sakamoto. Opus
Lack Of Love; Bb; Andata; Solitude; For Jóhann; Aubade 2020; Ichimei – Small Happiness; Mizu No Naka No Bagatelle; Bibo No Aozora; Aqua; Tong Poo; The Wuthering Heights; 20220302 – Sarabande; The Sheltering Sky; 20180219 (with prepared Piano); The Last Emperor; Trioon; Happy End; Merry Christmas Mr. Lawrence; Opus – Ending
Ryūichi Sakamoto (Klavier)
Milan G0100053193277 (2023)