4. März 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bartók, Enescu, Achron / Tassilo Probst

Bartók, Enescu, Achron / Tassilo Probst
Bartók, Enescu, Achron / Tassilo Probst
Offenbar hat man sich nicht stressen lassen. Denn wie es gelegentlich passiert, wurde die maximale Spielzeit-Kapazität der CD bei der Aufnahme überschritten. Es soll schon Einspielungen gegeben haben, bei denen in der Postproduction ein wenig gezaubert wurde, indem die Musik unter Beibehaltung der Tonhöhe unmerklich «beschleunigt» wurde, bis es passte. Nicht so hier: Mit insgesamt etwas mehr als 85 Minuten wurde das Ziel zwar knapp verfehlt, aber nichts verändert (im Streaming sind diese Timelines ohnehin egal). Und dieses Doppelalbum ist eine echte Überraschung. Mit ihm setzt Tassilo Probst bei seinem Debüt gewichtige Akzente: kein Beethoven, kein Brahms, sondern eine exzellente Auswahl von drei Sonaten aus der Feder von Béla Bartók, George Enescu und Joseph Isidor Achron (1886–1943) – letztere gar als Ersteinspielung.

Und musikalisch geht es zur Sache. Die vergleichsweise selten gespielte Bartók-Sonate zeigt den Komponisten noch von der «romantischen» Seite, aber bereits mit markanten volksmusikalischen Anklängen. Bei George Enescus Sonate Nr. 3 sind diese dann überaus präsent (im Untertitel steht «Dans le caractère populaire roumain» und erfüllt diesen auch ingeniös), bei Joseph Achron (Lebensstationen zwischen Litauen und Hollywood) ist der Tonfall schon 1918 ganz eigen. Tassilo Probst hat damit nicht die scheinbar sichere «breite Straße» betreten, sondern feiert seinen Einstand auf Tonträger auf geradezu verschlungenen Pfaden – und dies mit Erfolg. Sein in jedem Ton spürbares Engagement, sein Elan und seine Kraft überzeugen ebenso wie das Nachsinnen in ruhigen Passagen. Und obwohl er im Booklet-Interview noch mit seiner «Unfertigkeit» kokettiert, ist es gerade diese ehrliche jugendliche Frische, die den Kompositionen gut tut. Man könnte sich die Werke auch abgeklärter, vielleicht etwas ernster und damit wahrlich langweiliger vorstellen. Zusammen mit Maxim Lando am Klavier ist hier etwas Außergewöhnliches entstanden.

Into Madness
Béla Bartók. Sonate für Violine und Klavier e-Moll BB 28 Sz. 20 (1903); George Enescu. Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 a-Moll op. 25 (1925); Joseph Achron: Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 op. 45
Tassilo Probst (Violine), Maxim Lando (Klavier)

Berlin Classics 0302767 BC (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 4 in Michael Kubes HörBar #144 – Violinsonaten um 1900