In Verbindung mit den teils schwierigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft dieser Aspekt nahezu das gesamte Schaffen von Heinrich Schütz, der zunächst auf die Einschränkungen des Dreißigjährigen Kriegs reagieren musste, aber auch darüber hinaus genau wusste, was wo wie realisierbar war. So bei seiner Weihnachtshistoire, von der er 1664 nur die Evangelisten-Partie im Druck herausgab, nicht aber die Interludien. Aufschlussreich bemerkte er dazu, dass er «dieselben im Druck heraus zu geben Bedencken getragen hat, alldieweil er vermerkte, dass außer fürstlichen wohlbestallten Capellen, solche seine Invention schwerlich ihren gebührenden effect anderswo erreichen würde.» Hier setzt Roland Wilson mit seiner Musica Fiata an – und greift auf Quellen aus der Berliner Nikolaikirche zurück, die sich im Bestand der Singakademie erhalten haben. Auch wenn hie und da Ergänzungen notwendig waren, stellt diese prachtvolle, an instrumentalen Farben überbordende Fassung das Werk in seiner wohl spätesten Form dar. Die Fülle mag überraschen, zeigt aber auch, wie sehr der Purismus der Schütz-Bewegung der 1920er-Jahren noch immer nachwirkt. Auch die fünf gleichsam als Supplement beigegebenen Sätze aus den Kleinen geistlichen Konzerten wie auch aus der Geistlichen Chormusik fügen sich mit ihrem Bläserglanz und musikalischen Reichtum nahtlos ein. Ein Weihnachts-Album für im Kerzenschein funkelnde Engel.
Heinrich Schütz. Historia der Geburt Christi SWV 435b (Berliner Version); Sei gegrüßet, Maria SWV 333; Magnificat a 18 (5 cori) SWV 468; Sehet an den Feigenbaum SWV 394; Der Engel sprach zu den Hirten SWV 395; Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei SWV 396
La Capella Ducale, Musica Fiata, Roland Wilson
deutsche harmonia mundi 19658882272 (2023)