18. Januar 2025 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Britta Byström

Britta Byström
Britta Byström
«Achte auf die Titel. Britta Byström schreibt zwar keine Programmmusik, aber die Titel sind eine Art Eingang mit nur angelehnten Türen» (Tony Lundman). Nur selten einmal findet man ein derart plastisches Bild, sich den Zugang zu einer noch unbekannten Musik zu öffnen. Und tatsächlich sind es meist ihre poetischen Werktitel, mit denen die schwedische Komponistin Britta Byström (geb. 1977) eine Idee, vielleicht gar einen Fingerzeig gibt. Dabei spricht ihre Musik selbst, freilich mit einer hohen instrumentalen Tessitura. Sie scheint über Strecken im Wind zu wehen, kommt vielfach ohne Grundierung aus, wo doch eigentlich der Bass das Fundament aller Klänge ist.

Das beim dänischen Label Dacapo erschienene Album fasst vier Werke aus den Jahren 2011 bis 2020 in chronologischer Reihenfolge zusammen – Kompositionen, die auch eine stilistische Entwicklung erkennen lassen und darüber hinaus eine klar erkennbare Handschrift tragen. Ausgangspunkt ist immer ein umrissenes Material, dessen Erkundung dann aber eher lyrischer Natur ist und keineswegs rein technisch erfolgt. Gut zu hören in Letter in April (2010), ein Titel, der auf die dänische Dichterin Inger Christensen zurückgeht, verbunden mit spieltechnischen Aspekten in Baum in der Stadt (2014) für Solo-Violine (die Bezeichnung ist indirekt von Paul Klee inspiriert). Dass sich so formulierte Titel gut lesen, aber wenig Konkretes aussagen, zeigt sich an den Images from the Floating World (2019) für Streichquartett – einer Folge von sechs kurzen Stücken, wirklichen Bildern ohne «lange Strecken». In diesem Sinne geht Britta Bystöm Figures at the Seaside (2023) neue Wege, ein Werk für Violoncello und Kammerorchester, ohne dass dabei das Solo konzertant ist – mit bemerkenswerten Konstellationen. Ob es der nur subkutan spürbare Rückgriff auf Bach war, der hier für längere Linien sorgte, oder das Spiel mit Patterns und Ostinati? Die Einspielung (teilweise wohl auch auch als Live-Mitschnitt) kommt der Musik entgegen, auch die weiträumige Akustik der KoncertKirken in Kopenhagen.

Britta Byström. Letter in April für Klarinette und Klaviertrio (2011); Baum in der Stadt für Violine solo (2014); Images From the Floating World für Streichquartett (2019); Figures at the Seaside für Violoncello und Kammerorchester (2020)
Anne Ngoc Søe (Violine), Maria Isabel Edlund (Violoncello), Athelas Sinfonietta

Dacapo 8.226724 (2021, 2022)

HörBar<< :innen / Sophie-Justine HerrGrete von Zieritz >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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