So beständig sich das Streichquartett als musikalische Gattung seit mehr als 275 Jahren hält, so rätselhaft sind seine Ursprünge, die irgendwo in Italien und im süddeutschen Raum liegen. Zwischen Sinfonia, Sonate und Divertimento ist es auch die kammermusikalische (nicht chorische) Besetzung, die rasch prägend wurde. Die Spurensuche, die schon Ludwig Finscher unternahm, führt in verschiedene Traditionen und Kontexte, aus denen dann wohl zu einem «Zeitpunkt X» das Quartett mit dem ihm eigenen Anspruch hervorging. Sei es bei Haydn oder Boccherini, bei beiden oder bei anderen: Eine «Gründungsurkunde» wurde jedenfalls nicht ausgestellt.
Aber darin liegt letztlich wohl auch der Reiz der Gattung, nähert man sich mit philologischer Akribie dem musikgeschichtlichem Ereignishorizont. Allerdings ist das Butter Quartet nicht die erste Formation, die mit einem Album die frühen Spuren in klingende Musik umsetzt. Die hier versammelten «Funken» (Scintilla) haben jedenfalls Originalität, Spritzigkeit und Tiefe – und nehmen damit schon vieles von der weiteren Entwicklung der Gattung vorweg. In der Werkauswahl darf natürlich Boccherinis op. 2/1 nicht fehlen, alles andere sind Trouvaillen aus dem Schaffen von Gaetano Pugnani (1731–1798), Maddalena Laura Lombardini Sirmen (1745–1818) und Felice Giardini (1716–1796), bei denen eine erfrischende Vielfalt an Formen und Ausdruckscharakteren auffällt. Die Kunst besteht darin, diese oft zeittypisch lockeren Kompositionen auch interpretatorisch auf den Punkt zu bringen. Das gelingt dem historisch informiert musizierenden Butter Quartett mit selbstverständlicher Souveränität und ganz unprätentiös. Bitte mehr davon.
Scintilla. Early Italian String Quartets
Gaetano Pugnani: Streichquartett Nr. 2 Es-Dur; Luigi Boccherini: Streichquartett c-Moll op. 2/1; Maddalena Laura Lombardini Sirmen: Streichquartett Nr. 5 F-Dur; Felice Giardini: Streichquartett C-Dur op. 25/1
Butter Quartet
Brilliant Classics 97407 (2022)