19. September 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Asasello-Quartett / Schwarze Messe

Asasello-Quartett / Schwarze Messe
Asasello-Quartett / Schwarze Messe
Noch immer wirkt «Corona» nach. So auch mit diesem Album und einem Programm, mit dem sich das Asasello-Quartett 2020 zu seinem 20-jährigen Bestehen eigentlich selbst beschenken wollte (und dann nicht konnte). Die Aufnahmen bilden nun einen herausragenden Extrakt – ein Bekenntnis zu Komponisten und Werken außerhalb der ausgetretenen Pfade mit Interpretationen, die ohne jeden Vorbehalt als mustergültig bezeichnet werden können: kein Philosophieren, sondern ein markantes, lebendiges, ganz der Partitur verpflichtetes Spiel voller Präzision und Leidenschaft.

Die ausgewählten vier Werke haben es in sich: Das Streichquartett Nr. 1 (1915) von Arthur Lourié (1892–1966) steht an der Schwelle der musikalischen Moderne und verkörpert geradezu die Aufbruchsstimmung einer jungen Generation noch während (!) des Ersten Weltkiegs. Ferner wird eine Lanze für Ivan Wyschnegradsky (1893–1979) gebrochen, dessen Schaffen bis heute weitgehend ignoriert wird, obwohl es die Tore zu einer neuen Klangwelt aufgestoßen hat (nämlich zu einer sehr genau ausgehörten Vierteltonmusik, die gar nicht «schmutzig« klingt). Dramaturgisch lässt sich das alles weiterdenken bis zum Streichquartett Nr. 1 (1986) von Christoph Staude (geb. 1965) – ein substanzielles, facettenreiches Werk, dem man die Jahre und Jahrzehnte nicht anhört. Namensgeber des Albums ist eine Quartettbearbeitung der Klaviersonate Nr. 9 (op. 68) von Alexander Skrjabin in einer absolut idiomatischen Bearbeitung. Mit hinreißender Kantabilität und sicherem Gespür für die Eigenheiten der jeweiligen Komposition bringt das Asasello-Quartett alle diese Werke zum Leuchten: individuell, mit überzeugender Ansprache und der Frage, warum solch ein Programm nicht schon viel früher eingespielt wurde. Chapeau.

Schwarze Messe.
Arthur Lourié. Streichquartett Nr. 1 (1915); Christophe Staude. Streichquartett Nr. 1 (1986); Alexander Skrjabin: Messe Noire. Klaviersonate Nr. 9 (1912/13) (arr. für Streichquartett von Gérard Pesson); Ivan Wyschnegradsky: Streichquartett Nr. 2 (1930/31)
Asasello-Quartett

Genuin GEN 22745 (2019, 2020, 2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #129 – Streichquartette

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