21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Bruckner 4 / Pablo Heras-Casado

Bruckner 4 / Pablo Heras-Casado
Bruckner 4 / Pablo Heras-Casado
Schon die ersten Takte dieser Einspielung von Bruckners Sinfonie Nr. 4 machen deutlich, warum sie ihren Beinamen «Romantische» trägt. Nur selten wurden bisher ältere Horninstrumente verwendet, und noch seltener die fragilen Quint- und Sext-Rufe des Anfangs nicht ausbalanciert. Hier ertönt ein Signal wie aus ferner Zeit – zaghaft, zerbrechlich und voller Poesie. Dass sich die so erzeugte Stimmung nicht auf die ganze Aufnahme überträgt, hat mehrere Gründe. Und sie liegen nicht allein im verwendeten Instrumentarium, das gerade in den zurückgenommenen Passagen für Transparenz sorgt; vielmehr ist es die Diskrepanz zwischen dieser Offenheit (die auch kleine Ungenauigkeiten offenbart) und dem dann doch recht aufbrausenden Forte, die zwei konträre Welten evoziert.

Vielleicht ging für das von Jos van Immerseel über Jahrzehnte geprägte Orchester Anima Eterna die Reise zu Bruckners klanglicher Erhabenheit trotz vieler weitreichender Ausflüge ins 19. Jahrhundert einfach zu schnell. Vielleicht wirkt auch Pablo Heras-Casados bekannt forsche und in meinen Augen immer auch auf Effekte zielende Robustheit hier nicht förderlich. Das betrifft ganz entschieden das Andante quasi Allegretto mit seinen sehr kantablen, nachhorchenden, fast sprechenden Passagen. Sie entbehren einer inneren, vorwärtsstrebenden Spannung und werden überdies oft genug durch intonatorische Trübungen gestört. Wie anders (dabei ein wenig konventioneller) klingt die Sinfonie in den Aufnahmen mit dem Orchestre des Champs-Élysées unter Philippe Herreweghe (2005) oder der KlangVerwaltung unter Enoch zu Guttenberg (2007), bei denen das Werk auf jeweils ganz andere Weise zu seiner Größe findet.

Anton Bruckner. Sinfonie Nr. 4 Es-Dur (Fassung 1878/80)
Anima Eterna Brugge, Pablo Heras-Casado

harmonia mundi HMM 902721 (2024)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 3 von 5 in Michael Kubes HörBar #126 – Bruckner 200