8. September 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Garlic & Onions / The Playfords

Garlic & Onions / The Playfords
Garlic & Onions / The Playfords
Eine Produktion, bei der man einen Blick in die Küche wagt: Dort finden sich brodelnde Töpfe auf dem Herd, zahlreiche vorbereitete Speisen, deftige Zutaten im Vorrat und vor allem (trotz der harten Arbeit) eine spürbare Lust am Leben und am guten Geschmack – ganz allgemein und hier besonders. So oder ähnlich dürfte das Rezept lauten, das vom Ensemble The Playfords diesem Album zugrunde gelegt wurde. Während es klingt und singt, hört man es geradezu brutzeln. Es ist eine Zusammenstellung von herben Balladen und nachsinnenden Grounds der britischen Renaissance und des britischen Barock, kombiniert mit einem erheblichen Anteil von Folk ganz eigener Originalität und Improvisationen, mit gesungenen Erzählungen von jungen Frauen vom Land und den harten Kerlen der Stadt, von Tabak- und Alkoholkonsum – mal rauschhaft im Rhythmus, malschwermütig im Ton.

Herausgekommen ist ein buntes Pasticcio quer durch die Jahrhunderte und Stile. Zum einen verstehen es die Playfords vortrefflich, in die Alte Musik einzutauchen, zum anderen sie auch lebendig werden zu lassen – weniger für Puristen als vielmehr für ein breiteres Publikum, so es denn diese Kost für sich entdeckt. Freilich: Das den Drive unterstützende Schlagwerk klingt nicht immer authentisch nach Frühbarock, sondern gelegentlich allzu sehr nach jüngster Vergangenheit (Track 2). Die Auswahl der Stücke erscheint dennoch so stimmig wie die lebendige Präsentation. Die etwas überschäumende Leidenschaft der Interpretation gleicht eher dem experimentellen Menü eines jungen Sterne-Kochs, wo man eher eine unaufgeregte Weinbegleitung erwartet hätte. Einige Nummern muten allerdings stilistisch versalzen an (An Old Man is a Bed Full of Bones). Aber das ist hier in besonderer Weise eine Frage des Geschmacks.

Garlic and Onions. Deftige Balladen, feinherbe Kompositionen und kulinarische Tanzmusik aus England (17.–19. Jahrhundert)
Henry Playford. Twas O’er the Hills and Far Away; Cook’s Humour; Lumps of Pudding; Mrs Savages Whim; John Playford. The Glory of the Kitchen / Jameko; The Merry Merry Milkmaids / The Milkmaid’s Bob; The Northern Lasse’s Lamentation / Sellinger’s Round; Dissembling Love; On the Cold Ground / Ginnie Pug or Strawberries and Cream; An Old Man is a Bed Full of Bones; A Cup of Old Stingo; Thomas Campion. Though You Are Young and I Am Old; Tobias Hume. Tobacco; Tim Liebert. Garlic and Onions; Anonymus/Traditionals. I Will Give My Love an Apple; Nutmegs and Ginger; Are you Going to Whittingham Fair; Role the Rumple Sawny
The Playfords

deutsche harmonia mundi dhm 19658822682 (2020)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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