Auch wenn diese Stücke «Triosonaten» heißen und einen dreistimmigen Satz aufweisen, so bedeutet das nicht, dass auch drei Musiker:innen am Werk sind. Der von Arcangelo Corelli etablierte Satztyp findet in den von Johann Sebastian Bach vollzogenen Transformation auf der Orgel einen ganz eigenen Höhepunkt. Hier bewahren die obligat geführten Stimmen in einem kunstvollen Geflecht ihre Eigenständigkeit – ein Geflecht, das auch mit vollständiger Unabhängigkeit von Händen und Füßen abgebildet werden muss. Dabei hat Bach jedem Satz einen individuellen Charakter und Affekte vom festlichen Konzertieren bis zum tiefen Nachsinnen eingeschrieben; die sechs Sonaten BWV 525–530 gelten als experimentierfreudig und ausgewogen zugleich.
Die drei fruchtigen Orangen, die das Cover zieren, finden ihre Entsprechung im Inhalt. Schon das Booklet lässt keine Wünsche offen, in dem auch die Wahl der Ahrend-Orgel zu St. Otto in Herzogenaurach begründet wird, die 2006/07 nach norddeutschem Vorbild gebaut wurde. In Verbindung mit der direkten Akustik der Kirche unterstützt sie die Bach’sche Polyphonie in authentischer Weise. Das spezielle «Multitasking», das gerade diese Triosonaten verlangen, beherrscht der Reutlinger Organist Martin Neu präzise, souverän und spielfreudig. Ungewöhnlich sind allenfalls die teilweise recht breiten Tempi der langsamen Sätze, die dafür jedoch an Ausdruck gewinnen. Ausgewogen und mit einer Vorliebe für Labialpfeifen registrierend, findet Martin Neu einen Ausgleich zwischen klanglicher Kontur und Homogenität – und genießt hörbar den weichen Wohlklang des Instruments.
Johann Sebastian Bach. Triosonaten für Orgel BWV 525–530
Martin Neu (Orgel)
audite 97.827 (2021/22)