21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Hans Gál / Christian Immler

Hans Gál / Christian Immler
Hans Gál / Christian Immler
Man könnte etwas erschöpft meinen: «… und schon wieder werden verborgene Schätze gehoben». Zu sehr ist es in Mode gekommen und zur Pflicht geworden, ungedrucktes Repertoire zu entdecken und einzuspielen – oft genug wohl auch mit dem Gedanken, dass der güldene Strahl eines solchen Schatzes auch auf die Interpreten fallen möge. All das hat diese Produktion nicht nötig. Es ist eher umgekehrt: Christian Immler und Helmut Deutsch haben sich mit höchster interpretatorischer Kompetenz und gestalterischem Vermögen einem Korpus an Liedern gewidmet, die in jedem Takt durch ihre eigene Qualität sprechen. Die Werke stammen von dem in der Nähe von Wien geborenen und 1938 nach Schottland emigrierten Komponisten Hans Gál (1890–1987), dessen Schaffen seit einiger Zeit wieder Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Es handelt sich um Lieder und Gesänge, die zwischen 1910 und 1921 entstan-den und Manuskript blieben – nur fünf Lieder wurden von Gál später als op. 33 zusammengestellt und der Öffentlichkeit übergeben. Die übrigen ungedruckten blieben im Nachlass erhalten und gewähren heute einen wunderbaren Einblick in eine künstlerische Biographie, die zwar etwas konservativ aus dem 19. Jahr-hundert herauswuchs, aber nicht radikal im Ausdruck oder der Harmonik mit der Tradition brach. Und so schlägt Gál bei der Auswahl der Dichter einen großen Bogen von Walther von der Vogelweide über Heine, Morgenstern, Hesse über Tagore bis zu Bethge; musikalisch (vor allen in der profilierten Klavierbegleitung) sind gelegentlich Anklänge an einzelne Lieder bei Schumann und Brahms auszumachen. Das aber fällt nicht ins Gewicht: Christian Immler (textverständlich deklamierend und über jeden stimmlichen Zweifel erhaben) sowie Helmut Deutsch als genau hörender und eigenständig agierender Klavier-Partner haben hier eine auch klangtechnisch herausragende Einspielung vorgelegt, die Bestand haben wird. Und die Lieder mit ihr.

Hidden Treasure. Hans Gál’s unpublished Lieder
Hans Gál. Lady Rosa (1910); Nacht (1911); Nachts in der Kajüte I–III (1912); Sternenzwiesprach (1911); Denk’ es, o Seele (1911); Maimond (1912); Minnelied (1913); Morgengebet (1913); Dämmerstunde (1913); Glaube nur! (1913); Liebesmüde (1911); Eine gantz neu Schelmweys (1915); Waldseligkeit (1915); Der Wolkenbaum (1917); Novembertag (1917); Welch ein Schweigen (1917); Nachtstürme (1918); Blumenlied (1921); Schäferlied (1921); Abendlied (1921); Der böse Tag (1914); Frag nicht! (1914); Rücknahme (1914); Abendgespräch (1914); 5 Lieder op. 33 (1917–1921)
Christian Immler (Bassbariton), Helmut Deutsch (Klavier)

BIS CD-2543 (2016)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #121 – Lied 20. Jahrhundert