21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ombres / Laetitia Grimaldi

Ombres / Laetitia Grimaldi
Ombres / Laetitia Grimaldi
Um es gleich zu sagen: So charmant die einzelnen Lieder gesungen werden, so inkonsequent wirkt das Album in der Konzeption auf mich – und fast stellt es sich damit sogar selbst ein Bein. Das beginnt mit dem reichlich indifferenten Motto «Ombres» (Schatten). Gemeint sind jene Schatten, aus denen nun einige Werke von Komponistinnen der französischen Belle Époque herausgeholt werden sollen. Ob aber alle gleichermaßen in der Vergangenheit dem Vergessen anheim gefallen sind, bleibt fraglich. Ob es sich sogar um eine «Zeugenaussage» handelt (so im Booklet zu lesen), darf bezweifelt werden. Denn die Zeugen bzw. die Beweise (um im Bild zu bleiben) wurden von den Interpreten bestimmt und können nur durch klingende Töne sprechen. Viel zu knapp und pauschal fallen zudem die mitgeteilten biographischen Notizen aus – über die vertonten Verse oder den Charakter der Werke schweigt sich die Beilage aus. Wann genau die einzelnen Lieder entstanden oder im Druck erschienen sind, bleibt unerwähnt.

Es reicht im Jahr 2024 einfach nicht mehr aus, eine nur schmal kommentierte Zusammenstellung einzelner Lied-Vertonungen von Komponistinnen einer Epoche zu veröffentlichen. Wie bei allen anderen Alben erwartet man gerade bei den «kleinen Formen» ein Mehr an Metadaten – insbesondere dann, wenn die Gesänge (es sind insgesamt 22 Lieder von neun Komponistinnen) nicht ohne weiteres erreichbar oder auffindbar sind. Das Album sollte am Ende eben doch mehr sein als nur die Abbildung eines musikalischen Salons. Interpretatorisch überzeugt die Einspielung durch ihren kammermusikalischen Ton und eine der Gattung «Lied» angemessene Akustik. Laetitia Grimaldi singt mit einem abgedunkelten Sopran, der nur manchmal in der Höhe angestrengt wirkt. Ammiel Bushakevitz begleitet eigenständig und aufmerksam. Ein im Booklet unerwähntes Highlight sind die beiden Kompositionen, bei denen noch ein obligates Violoncello hinzutritt (Élève-toi mon âme von Mel Bonis und Les étoiles von Pauline Viardot.

Ombres. Women Composers of La Belle Époque
Lieder von Mélanie (Mel) Bonis, Cécile Chaminade, Armande de Polignac, Juliette Folville, Pauline Viardot, Marguerite Béclard d’Harcourt, Hélène-Frédérique de Faye-Jozin, Gabrielle Ferrari, Augusta Holmès
Laetitia Grimaldi (Sopran), Ammiel Bushakevitz (Klavier), Talia Erdal (Violoncello)

BIS BIS-2546 (2019)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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