Es ist schon erstaunlich, wie frisch so manches Spätwerk eines Altvorderen anmutet. So etwa bei Per Nørgård (* 1932), der mit 80 Jahren seine 8. Sinfonie vollendete (2011) und mit den Three Nocturnal Movements (2015) noch ein weiteres gewichtiges Werk nachlegte. Den Partituren ist gleichermaßen eine weise Gelassenheit anzumerken wie auch eine nach wie vor kraftvolle Kreativität. Und eine Form des schöpferischen Understatements und Loslassens: Für die Nocturnal Movements haben der Komponist und Jakob Kullberg (als Solist) zum wiederholten Male zusammengearbeitet; ein kreativer Austausch, wie man ihn seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert kennt und der vielfach die besten Werke hervorgebracht hat. Entstanden zum 250-jährigen Bestehen des Bergen Philharmonic Orchestra, atmen die «nächtlichen Sätze» Zeit – auf sehr intensive Weise.
Dass die Ausführenden bei der Einspielung bestens mit der Partitur vertraut sind, ist der Interpretation zweifelsohne anzumerken: Sie strahlt nicht nur eine allseitige Sicherheit und Ruhe aus, sondern entwickelt auch einen spürbar individuellen Zugang, der weit über die bloße Realisation der niedergeschriebenen Noten hinausgeht. Eine ähnliche Selbstverständlichkeit begegnet auch in der 8. Sinfonie – auf verblüffende Weise hörbar im Vergleich mit der vor gar nicht so langer Zeit veröffentlichten Produktion mit den Wiener Philharmonikern unter Sakari Oramo (dacapo), die in unbekanntem Terrain ganz auf Sicherheit bedacht waren und dabei seltsam vernebelt klingen. In Bergen hingegen zeigt sich das Werk kurzweilig, inspiriert und frei gestaltend umgesetzt, von den differenziert geführten Holzbläsern bis hin zu den mitunter satt aufspielenden Streichern. Apropos Streicher: Wie eine Zugabe folgt am Ende des Albums noch Lysning (Lichtung, 2006) – ein vor unzeitgemäßer Lyrik geradezu «berstendes» Adagio.
Per Nørgård. Three Nocturnal Movements (2015) für Violine, Violoncello und Orchester; Symphonie No. 8 (2011); Lysning (2006)
Peter Herresthal (Violine), Jakob Kullberg (Violoncello), Bergen Philharmonic Orchestra, John Storgårds
BIS-2502 (2019, 2022)