Sieht man sich dabei um, ist es allerdings überraschend, wie selten (außer den Stücken von Schumann) die anderen Fantasiestücke aufgelegt und gespielt werden. Sie zeichnen ein wunderbares Bild der kompositorischen Entdeckung der Klarinette und der kammermusikalischen Verwendung ihrer Register ab der Mitte des 19. Jahrhunderts – abseits der virtuosen Konzerte und Konzertstücke sowie der (wenigen) Quintette. Viele Sätze sind vor allem atmosphärisch geprägt, sowohl was die Harmonik wie auch den Ausdruck angeht – hier liegt die eigentliche Herausforderung bei der Interpretation im Ausgleich von Ton und Räumlichkeit. Der Klarinettist Georg Arzberger geht sie risikofreudig mit offenem Visier an, offenbart dabei viel von seiner Tongebung, verschmelzt seine Linien aber kaum mit dem begleitenden Flügel. Eher gewinnt man (auch durch die Aufstellung der Mikrofone) den Eindruck zweier gleicher Partner, die auf Augenhöhe und hohem Niveau Zwiesprache halten, ohne sich in den Formulierungen wirklich genau zuzuhören. Eigenartigerweise erscheint mir Julian Riem am Klavier dabei als der im Ganzen stärker gestaltende und «ziehende» Part. Und dennoch ist es eine sehr «hörbare» und darüber hinaus instruktive Einspielung, die man wegen des markanten Covers zu jeder Zeit im Regal oder auf dem Bildschirm wiedererkennt.
Fantasie.
August Hendrik Winding. Drei Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 19; Johann Carl Eschmann. Zwei Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 9; Robert Schumann. Fantasiestücke für Klarinette & Klavier op. 73; Niels W. Gade. Vier Fantasiestücke für Klarinette & Klavier op. 43; Carl Reinecke. Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 22
Georg Arzberger (Klarinette), Julian Riem (Klavier)
FARAO classics B108117 (2022)
- Maximilian Schairer / Gloaming
- Alexander Melnikov / Fantasie
- Georg Arzberger / Fantasie
- Igor Levit / Fantasia