Auch interpretatorisch handelt es sich um ein Lehrstück, wie mit den unterschiedlichen Farben umgegangen werden kann. Die Anforderungen sind dabei freilich immer wieder andere; vor allem der Tangentenflügel fordert heraus und entfaltet eine unglaubliche Ausdruckstiefe. Dass Melnikov ohnehin eher in der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert sein «Zuhause» hat, ist den feinnervigen, spannungsgeladenen Deutungen in jeder Phrase anzumerken. Anders sieht es bei der harmonisch komplexen Chromatischen Fantasie und Fuge von Bach aus, die ich seit 35 Jahren weitaus radikaler und improvisatorischer mit Andreas Staier im Ohr habe (auch mit einem «knackigeren» Instrument). Hingegen fehlt es mir bei Schnittkes Improvisation und Fuge etwas an Poesie; Melnikov geht das Werk zu nüchtern an. Allerdings: Wer unter den Pianist:innen wagt sich an eine vergleichbare Produktion mit derart unterschiedlichen Instrumenten und Stilen? Es ist und bleibt ein Album, das man immer wieder staunend hören wird.
Fantasie. Seven Composers, Seven Keyboards
Johann Sebastian Bach. Chromatische Fantasie und Fuge BWV 903; Carl Philipp Emanuel Bach. Fantasie fis-Moll Wq. 67; Wolfgang Amadeus Mozart. Fantasie c-Moll KV 396; Fantasie d-Moll KV 397; Felix Mendelssohn Bartholdy. Fantasie fis-Moll op. 28; Frédéric Chopin. Fantaisie f-Moll op. 49; Ferruccio Busoni. Fantasia in modo antico op. 33b/4; Alfred Schnittke. Improvisation und Fuge op. 38
Alexander Melnikov (Cembalo, Klavier)
harmonia mundi HMM 902702 (2022)
- Maximilian Schairer / Gloaming
- Alexander Melnikov / Fantasie
- Georg Arzberger / Fantasie
- Igor Levit / Fantasia