Es ist wohl allein der Sammel-Leidenschaft von John Baldwin, einem Sänger der St. George’s Chapel (Windsor Castle) und seiner Verehrung des Komponisten William Byrd zu verdanken, dass in einem einzigen singulären Manuskript insgesamt 42 Kompositionen für Virginal überliefert sind. Doch auch die Geschichte der am 11. September 1591 vollendeten Handschrift, bekannt als My Ladye Nevells Booke, ist einzigartig: Es befand sich im Besitz von Elizabeth I., später ist es bei Charles Burney nachweisbar, im 21. Jahrhundert gelangte es in den Besitz der British Library – als Ausgleich einer angefallenen Erbschaftssteuer. Schöner kann man seine Schulden nicht begleichen…
Pieter-Jan Belder hat sich der Sammlung über mehrere Jahre hinweg mit großer Ausdauer gewidmet, die Daten der Einspielung umfassen ein ganzes Jahrzehnt. Vor allem versteht es Belder, die sehr unterschiedlichen, wohl eher willkürlich in das Manuskript eingetragenen Stücke individuell zu deuten. Die ältesten stammen aus den 1560er Jahren, im Ganzen ist es eine Mischung aus Tänzen, Märschen, Variationen, polyphon gesetzten Fantasien und programmatischen Stücken wie The Battell, einem Schlachtengemälde. Belder realisiert die Werke auf Nachbauten fünf unterschiedlicher Instrumente des frühen 17. Jahrhunderts in einer der Zeit adäquaten mitteltönigen Stimmung, die den Sätzen eine strahlende Leuchtkraft und Leichtigkeit verleihen. Die drei CDs umfassende Box (zumal wohlfeil zu erwerben!) stellt für mich einen der Höhepunkte des Byrd-Jahres dar.
William Byrd. My Ladye Nevells Booke
Pieter-Jan Belder (Cembalo)
Brilliant Classics 96887 (2012, 2017, 2018, 2021)