Manchmal verschwimmen die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation. So auch bei dieser «Nachtmusik» von Vitalii Kyianytsia, einem seit einigen Jah-ren in Deutschland lebenden, aus der Ukraine stammenden Pianisten, der sich darauf versteht, Klassik, Romantik, Jazz und noch viel mehr zu einem eigenen Mix zu verbinden. Seine auf diesem Album versammelten zwölf Stücke versteht er selbst als Zyklus – und in der Tat scheinen sie musikalisch aufeinander zu rea-gieren. Insofern sollte man sich, wenn die Welt da draußen endlich zur Ruhe ge-kommen ist, eine knappe Stunde Zeit nehmen, um sich mitnehmen zu lassen in eine eher entspannende als aufregende Umgebung.
Es erstaunt daher nicht, dass Vitalii Kyianytsia eine Aufführung im Dunkeln be-vorzugt, das Auditorium sollte dabei auf dem Boden liegen – und die Ohren na-türlich weit aufmachen. So geschlossen die zwölf Stücke als Ganzes wirken, so offen erscheinen die einzelnen Nummern. Mehr Improvisation als Komposition – möchte man sagen, wenn da nicht bestimmte strukturelle Elemente etwas ande-res nahelegen würden. Dazu aber müsste man «am Ball» bleiben. Mir ist das tatsächlich schwer gefallen. Zu beliebig und austauschbar erscheint vieles – auch wenn eine Handschrift erkennbar ist. Ohne einzelne dynamische Akzente und rhythmische Konstellationen oder die ein oder andere harmonische Wendung wäre die Night Music längst zu einer bloß begleitenden Träumerei geworden.
Vitalii Kyianytsia. Night Music
Vitalii Kyianytsia (Klavier)
Paschenrecords PR 230084 (2021)