
Entsprechend hat Habbestad erst gar nicht den Versuch unternommen, sich bei der zentraleuropäischen Avantgarde anzubiedern. Seine eindrückliche Musik entfaltet sich eher in einer freien tonalen Weise, die an die Wende zum 20. Jahrhundert denken lässt – nicht nur in der konkreten Ausarbeitung, sondern auch in der ästhetischen Idee. So legte er seinem zweiten Streichquartett zunächst Texte zugrunde, um diese anschließend (vorerst) wieder zu vergessen. Wer denkt da nicht an die Verklärte Nacht, die Dehmels Versen so nah ist, dass man die Partitur auch losgelöst von den Worten versteht? Dass sich Habbestad später dann doch zu den Versen bekannte – geschenkt! Ähnlich verhält es sich mit der Air d’été suédois (2009) für Klarinettenquintett. Wer die am Anfang stehenden Verse nicht gelesen hat, verpasst möglicherweise einige Aspekte der Kompositionen, gewinnt aber ganz andere Einsichten. – Nachdem es in den vergangenen Jahren um das Vertavo Quartett seltsam still geworden war, mutet dieses Album wie ein Neustart in vertrauter Besetzung an. Die hochklassigen Interpretationen dieser bemerkenswerten und bemerkenswert schönen Werke fühlen sich an wie ein Versprechen auf hoffentlich weitere Produktionen – bitte dann auch von ähnlich nachhörbarer Musik. Kjell Habbestad selbst versteht es mit seinen musikalisch durchgearbeiteten Partituren, die Ohren nicht nur kurzfristig aufzurichten.
Kjell Habbestad. Quattro stazioni
String Quartet No. 1 op. 21 «Quattro stazioni» (1989); String Quartet No. 2 op. 91 (2013); Air d’été suédois op. 85 (2009); Divertimento op. 86 (2010)
Vertavo String Quartet, Björn Nyman (Klarinette), Sveinung Bjelland (Klavier)
Lawo LWC 1193 (2018/19)








