21. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Talistrio

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Auch dem aus Augsburg stammenden deutsch-japanischen Talistrio stand die Pandemie der letzten Jahre im Wege. Seit dem Debütkonzert im Jahre 2011 ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen, die ersten Erfahrungen sind längst professionellen Ambitionen gewichen. Das zeigt auch dieses Album, mit dem die Formation auch im Repertoire ein Ausrufezeichen setzt. Unbekannt ist das Trio élégiaque Nr. 2 op. 9 von Sergei Rachmaninow zwar nicht, wohl aber lässt die ungewöhnliche Kombination mit zwei Sätzen von Alfredo Casella und einer Komposition von Koscak Yamada (1886–1965) aufhorchen. Auf welchem Wege die Werke zusammenfinden, darüber gibt das Booklet Auskunft unter Verweis auf Paul Klees Ad Marginem (1930), das zu weiterem Nachdenken einlädt.

Wie viel Zeit in den vergangenen Jahren verloren wurde, zeigt ein Blick auf den Konzertkalender, der zwischen März 2020 und März 2022 nur drei Auftritte verzeichnet. Was aber junge Ensembles für ihre Entwicklung benötigen, das sind Auftrittsmöglichkeiten: Das Podium fordert alles – und gibt oft weit mehr zurück. Das vorliegende Album, produziert in der «stillen Zeit», wirkt daher wie ein Versprechen. So sind im Rachmaninow betont erdige und aufgeraute Töne zu hören; statt dunkler Süße rufen Salz und Pfeffer hier gänzlich andere Farben hervor, zögernd und dann doch mit Überzeugung. Das Trio élégiaque (letztlich Klang gewordene Betroffenheit über den unerwarteten Tod Tschaikowskys) gewinnt dadurch an eigener Qualität. Die beiden Charakterstücke von Alfredo Casella sind davon gar nicht so weit entfernt und legen bereits zu Beginn die dunkle Tönung des Albums fest. Der Brückenschlag zur (bearbeiteten) Roten Libelle von Koscak Yamada will mir nicht recht gelingen – aber vielleicht stört mich nur die aus dem Ensemble heraus vorgetragene Rezitation des zugrunde liegenden Gedichts.

Alfredo Casella. Sicilienne et Burlesque op. 23 (1914); Sergei Rachmaninow. Trio élégiaque Nr. 2 op. 9; Koscak Yamada. «Akatombo» – Die rote Libelle
Talistrio

Solo Musica SM 409 (2021, 2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #085 – Klaviertrios