Ein Geständnis vorab: Bisher habe ich mich mit der Musik von Pietro Antonio Locatelli immer etwas schwer getan; auch bei neueren Einspielungen – vermutlich unter dem fragwürdigen Eindruck eines dieser so genannten Weihnachtskonzerte, hier des Concerto per la notte di natale F-Dur op. 1/8. Mit dieser unbewusst gelebten Distanz ist nach diesem Album aufzuräumen. Denn in seinen 1735 im Druck erschienenen Introduttioni teatrali op. 4 präsentiert sich Locatelli als ein Komponist, der mit Witz und Verstand erfindet und gestaltet – und dessen Musik vom klein besetzen Thüringer Bach Collegium mit Esprit und Charme zum Klingen gebracht wird.
Das nur neun Musiker:innen zählende Ensemble (die Violinen sind jeweils doppelt besetzt) reicht tatsächlich aus, diese Stücke im Kern zu greifen; eine womöglich umfangreichere chorische Besetzung (freilich ganz nach Umfang und Qualität) würde wohl auch zu einer ungünstigen musikalischen Statik führen. Die ersten sechs kurzweiligen Kompositionen sind dreisätzig im Stil der richtungweisenden neapolitanischen Opernsinfonia angelegt. Ihnen folgen im Druck sechs viersätzige Concerti (also Concerti grossi), von denen auf diesem Album allerdings nur die ersten beiden eingespielt wurden (darüber täuscht das Cover ein wenig hinweg). Mein enzyklopädisches Verlangen wird damit zwar nicht gestillt, im besten Fall aber handelt es sich um einen «Cliffhanger» mit der Aussicht auf eine Fortsetzung. Hoffentlich.
Pietro Antonio Locatelli. Introduttioni teatrali op. 4 (1735)
Thüringer Bach Collegium, Gernoth Süssmuth
audite 97.821 (2022)
- Mauro d’Alay / Reale Concerto
- Locatelli / Thüringer Bach Collegium
- Telemann / The Wallfisch Band
- Lost and found / Freitagsakademie